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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 5.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.3528#0289

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BESPRECHUNGEN. 285

genaue Durchführung und sorgsam ausführliche Darlegung der prinzipiellen Grund-
probleme; man darf wohl nur erwarten, die Stellung des Autors kennen zu lernen
und vielleicht einige Anregungen zu empfangen. Schwerlich vermeiden läßt es sich,
daß stellenweise bereits Bekanntes zur Sprache kommt, insbesondere wenn sich der
Vortrag — wie in diesem Falle — an weitere Kreise richtet. Mit diesen Voraus-
setzungen nahm ich das Büchlein zur Hand, voll Interesse, wie der beliebte Lite-
rarhistoriker als Ästhetiker sich betätigt. Aber ich habe eine gewisse Enttäuschung
erlebt; zweifellos enthält der Vortrag sehr viel Richtiges und Beherzigenswertes und
vermag dadurch wahrhaft fördernd auf die jungen Leute einzuwirken, an die er
sich wendet, umsomehr, da viel jugendliches Feuer ihm innewohnt; aber der wissen-
schaftliche Ertrag scheint mir etwas mager, soweit es sich um die Aufstellung neuer
Gesichtspunkte und neuer Gedanken handelt.

Man höre nur etwa die Definition der Kunst! Sie läßt sich bestimmen »als
zum selbständigen, rein aus sich verständlichen Ausdruck gekommenes Lebens-
getuhl. < Durch geschickte Interpretationskunststücke läßt sich dieser Angabe an-
nähernd ein richtiger Sinn unterschieben, aber klar und eindeutig ist sie sicherlich
'cht, im Gegenteil: sehr geeignet, mannigfachen Mißverständnissen Vorschub zu
eisten, und somit kein Gewinn für die Wissenschaft. Schön soll dann die ganze
ulle dessen sein, was künstlerisch wertvoll ist, ja »das Ästhetisch-Wertvolle schlecht-
In- Ich halte das Bestreben der neueren Ästhetik, den Schönheitsbegriff als eine
netische Kategorie neben anderen nicht minder berechtigten zu fassen, für einen
ewmn und kann daher diese Rückkehr zu älteren Forschungswegen nicht begrüßen,
11 bei dieser schrankenlosen Ausdehnung dem Begriff fast jeder Wert genommen
a und die anderen ästhetischen Typen — wie etwa erhaben, reizend, tra-
ssci usw. — schwerlich die ihnen gebührende Würdigung finden können. Doch
as wäre vielleicht nur eine terminologische Streitfrage; bedenklicher aber scheint
m'r folgender Gedankengang: Das Anständige, das Schickliche, das Moralische ist
icnts Allgemein-Menschliches, sondern das sind Bedingungen gewisser Zustände,
. ese"schaften und Kasten, die aufhören müssen mit der Existenz und dem Wandel
Jener. Die Kunst aber ist etwas Ewiges und Unbedingtes, und ihre Sache ist: Aus-
.. "ck des Menschlichen schlechthin. Das Allgemein-Menschliche aber ist das Sitt-
e im weitesten Sinne. Dem Ausdruck der Lebenskraft und Fülle ist ein Ethos
arent, und sofern auch ein Kunstwerk dem Sittlichen bleiben will, es wird seiner
Ur nach eine sittliche Wirkung haben, freilich sittlich im Zusammenhange allen
. ^ns betrachtet.- An übergroßer Klarheit leiden diese Ausführungen sicherlich
> Kritik an ihnen zu üben erweist sich schon deswegen schwierig, weil der
m jedem Falle leicht einwenden kann, er habe es anders gemeint. Aber
^ . e_Mögüchkeit zu mannigfachen Auffassungen bedeutet eben eine Unbestimmt-
em er Darstellung und eine gewisse spielerische Willkür in der Begriffsverwen-
z B?H d'e S'Cl1 mit strenger Wissenschaftlichkeit nicht vertragen; so werden hier
die -en Begriffen 'Sittlich« und = allgemein-menschliche Bedeutungen untergeschoben,
nicht'6"11'011 abweicnen von den sonst üblichen. Denn sonst könnte man durchaus
in ■• Sagen> Aufgabe der Kunst sei Darstellung des Sittlichen im weitesten Sinne;
WaltamIlCher We'Se fälit ihr der Ausdruck des Unsittlichen zu, der teuflischen Ge-
voll "' d'e sicner,lcn den gleichen Anspruch auf Allgemein-Menschlich-Bedeutungs-
stell S ' daß alle Lebenskraft an sich schon sittlich ist, scheint in dieser Dar-

Ku ^ °'ne ganz ""bewiesene Annahme. Ferner geht es nicht an, einfach die
fiih a . etwas »Ewiges und Unbedingtes« hinzustellen, ohne den Nachweis zu
Sc^. ' WIe trotz des ganz offensichtlichen Wandels — man denke nur an die ver-
nen Stile — unverrückbar gewisse Werte verharren. Sagt man: diese Werte
 
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