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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 5.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.3528#0466

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462 BESPRECHUNGEN.

zudecken, um sodann diese letzteren durch eine Vergleichung mit den Tatsachen
der Selbstbeobachtung hinsichtlich ihrer Zulässigkeit zu prüfen und da-
durch eine zwar oft sehr mittelbare, aber desto zuverlässigere Entscheidung
üb er den Wert der betrachteten philosophischen Lehren zu gewinnen.«
Es sei hier die Entscheidung, ob dies Psychologismus ist, dem philosophischen
Urteil überlassen. Damit, daß Psychologisches und Philosophisches in einer »3. Er-
kenntnisweise« scheinbar umschlossen ist, ist noch nicht gesagt, daß die Entschei-
dung nicht psychologistisch ist, — denn dadurch, daß die Tatsachen der Selbst-
beobachtung über den Wert der philosophischen Lehre entscheiden, ist die
Begründung der Philosophie in die Psychologie gesetzt, so wahr Tatsachen der
Selbstbeobachtung als solche ins psychologische Gebiet fallen. Damit gelangen
wir zu rein negativen Resultaten, denn eine Allgemeingültigkeit ist psychologisch
nicht zu begründen. Fragt man nach der »Existenz« der reinen Vernunft, ist die
»Notwendigkeit und strenge Allgemeinheit«, somit die Apriorität unzulässig, weil
sie nicht empirisch konstatierbar ist, so kommen wir — sehr unkantisch — über
die Tatsächlichkeit keinen Schritt zu einer Frage der Gültigkeit hinaus.

So verstehen wir die »Unmöglichkeit der Erkenntnistheorie«; erschwert wird
das Verständnis der Nelsonschen Ausführungen dadurch, daß er die psychologische
Methode zwar zu verwerfen glaubt, aber auf seinem Umwege — zu rein psycho-
logistischen Ergebnissen kommt, was natürlich ein Chaos von Widersprüchen bedingt.

Wie begründet nun Nelson allgemein die Unmöglichkeit der Erkenntnistheorie?
Ist die objektive Gültigkeit der Erkenntnis ein Problem, so ist eine wissenschaftliche Auf-
lösung desselben unmöglich, denn das Kriterium ist entweder selbst eine Erkenntnis,
also problematisch, oder es ist bekannt, d. h. Gegenstand der Erkenntnis, — dann ist
wieder problematisch, ob diese Erkenntnis gültig usw.! Gegen den Einwand, daß
in der Behauptung, keine gültige Erkenntnis zu besitzen, eine Erkenntnis sich als
gültig hinstelle, führt Nelson aus: »Wer zu wissen behauptet, daß er nichts
wisse, widerspricht sich allerdings, aber hieraus läßt sich nicht schließen, daß er
irgend etwas wisse, sondern nur, daß er dieses, was er zu wissen vorgibt, nicht
wisse.« — Ohne uns bei diesen vergeblichen Spielereien aufzuhalten, sei hier nur
daran erinnert, daß ein solcher Satz entweder eine rein subjektive eitopj ausdrückt
— damit kann man aber nicht Beweisführungen verbinden — oder eine Behaup-
tung, die bereits das voraussetzt, was man zu leugnen versucht.

Vor allem greift Nelson den formalen Idealismus Kants an, und zwar mit
der Begründung, daß Kants bekannte Entscheidung der Alternative (K. d. r. V. § 14),
nach der nicht der Gegenstand die Vorstellung, sondern die Vorstellung den Gegen-
stand möglich machen muß, wenn apriorische Erkenntnis möglich sein soll, —
die Voraussetzung enthalte, daß das Verhältnis der Erkenntnis zum Gegenstande
ein kausales, und zwar »unmittelbar« kausales sei. Es scheint, als ob die Grund-
erkenntnis Kants, der sog. kopernikanische Standpunkt für Nelson keine Rolle spielt;
ebenso wie auch offenbar Abbildtheorie und Ding an sich für ihn ernstlich W
Betracht kommen.

Wenigstens liegt für ihn ein Widerspruch in der Annahme von Dingen an sich
nur in ihrer Unvereinbarkeit mit dem Satze, daß Prinzipien a priori Bedingungen
aller Urteile sind, und mit der Annahme des formalen Idealismus (welches letztere
wohl stimmt, wenn man den Sinn des formalen Idealismus im Auge hat). Dem-
nach gelangt Nelson zu einem höchst merkwürdigen Schema; die Bedingtheit alle
Urteile durch Prinzipien a priori und die Annahme des formalen Idealismus führe'
nach ihm zur Bestreitung des Dinges an sich, — was ihm eine rationalistisch
Konsequenz heißt; die Annahme der Dinge an sich und des formalen Idealismus (•;
 
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