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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 5.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.3528#0467

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BESPRECHUNGEN. 453

führen zur empiristischen Konsequenz der Bestreitung der Bedingtheit aller Urteile
durch Prinzipien a priori; endlich führt die Annahme der Dinge an sich und der
Bedingtheit aller Urteile durch Prinzipien a priori zur Bestreitung des formalen
Idealismus, was Nelson als kritische Konsequenz bezeichnet. Der konsequente
Kritizismus ist nach ihm mit dem formalen Idealismus überhaupt unverträglich.
Wir können hier nicht näher auf diese Fragen eingehen, sondern wenden uns zu
dem Standpunkt, den Nelson infolge dieser Bestreitung zur Kantischen Ästhetik
einnimmt.

Nelson geht zunächst von der richtigen Beobachtung aus, daß in der Kanti-
schen Ethik der Terminus Objektivität zweideutig gebraucht ist; sowohl im Sinne
der theoretischen Objektivität als der praktischen allgemeingültigen Verbindlichkeit,
wie man sagen könnte. Zugleich weist er auf Kants Versuche hin, durch das
logische Objektivitätskriterium die Verbindlichkeit zu begründen. — Dagegen falle
es auf, daß in der Kantischen Ästhetik nicht eine zweifache Beurteilungsweise der
Objektivität durchgeführt sei. Dieser Teil der Lehre ist »ausschließlich von dem
Gesichtspunkt des formalen Idealismus beherrscht«; Kant habe »die Paradoxie
ln der Annahme eines trotz der transzendentalen Idealität seines
Gegenstandes objektiven Geschmacksurteils nichtzu überwinden
vermocht«:. Wir sehen, daß für Nelson die Behauptung einer transzendentalen
Realität des Gegenstandes und eines objektiven Urteils einen Widerspruch ein-
schließt. Der Idealismus der ästhetischen Zweckmäßigkeit ist ihm eine Anwen-
dung des formalen Idealismus und als solcher Folge des Prinzips des ästhetischen
Nationalismus. Als Beweis dieses »Rationalismus« werden die Stellen angeführt,
ln denen die Idealität sowohl der Zweckmäßigkeit in der Ästhetik wie der Gegen-
stände der Sinne im theoretischen Teil aus der Apriorität bewiesen weiden. — Bis
hierher können wir in Nelsons Beweisführung keinerlei Rationalismus aufgezeigt
finden, — es sei denn, daß man einfach die Annahme eines formalen Idealismus
""t Rationalismus gleichsetzt, wie Nelson es allerdings, nach dem Schema zu ur-
teilen, tut. Kants Einschränkung des Ästhetischen auf »subjektive Allgemeingültig-
keit« ist Nelson ein Beweis, daß er als Ästhetiker in einem »empirischen
Realismus« stecken bleibt, — eine Wortverbindung, bei der Ref. sich, aufrichtig
gesagt, nichts denken kann. Gemeint ist damit wohl die an sich unleugbare Tat-
sache, daß Kant im Ästhetischen nicht zu einem ebenso in sich abgeschlossenen
^bjektivitätsbegriff kommt, wie im Theoretischen und — in Ansätzen — nach Nel-
ons eigener Beobachtung — im praktischen Gebiet; war es hier doch besonders
.wierig, den Terminus »objektiv« einzuführen, weil ja gerade Kant auf das ängst-
cnste die Differenz zwischen theoretischer und ästhetischer Allgemeingültigkeit wahren
Rollte und daher letztere lieber als subjektiv bezeichnete, als daß er sie mit der
heoretischen Objektivität verwechseln ließ. Daher konnte er, infolge des »an der
"and theoretischer Beispiele gewonnenen immanenten Objektivitätskriteriums«:,
°a das Schöne nicht in Begriffe gefaßt werden kann, nicht ein objektives
r'nzip des Geschmacks behaupten, wie Nelson durchaus zutreffend bemerkt. Aber:
cler Rationalismus Kants in der Ästhetik beruht nicht auf dem formalen Idealismus
as solchem, sondern im Gegenteil auf der fehlenden D urchführu ng des Idealis-
mus auf ästhetischem Gebiet, die ihm, ebenso wie auf theoretischem und ethischem
ebiet, einen immanenten Objektivitätsbegriff hätte verschaffen können. In der Kon-
atierung eines rationalistischen Restes in der Kantischen Ästhetik ist also Nelson
urchaus zuzustimmen, — nur setzt er als Grund dafür genau das an, nämlich den
rrnalen Idealismus, was unsrer Meinung nach den Grund einer völlig von ratio-
■stischer Begründung freien Ästhetik abgeben mußte. Hätte Kant den formalen
 
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