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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 5.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.3528#0469

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BESPRECHUNGEN.

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durchführbar sein. Selbst ganz objektive Bestimmungen — wie etwa Größen-
'nessungen, Materialangaben — gewinnen doch ihre Bedeutung lediglich in Hin-
sicht auf ihre ästhetischen Wirkungsweisen, so daß auch da der psychologische Ein-
schlag nicht auszuschalten ist. Es liegt mir dabei ganz fern, die Ästhetik in Psycho-
logie auflösen zu wollen, aber daß die Grundlagen der ersteren im Reiche seelischer
Tätigkeitsweisen zu suchen sind, scheint mir unzweifelhaft, und nicht nur mir, son-
dern der überwiegenden Mehrzahl der Ästhetiker unserer Tage. Wenn der Ver-
fasser dann gleich gegen die Ästhetik, die sich auf das »Fühlen« stützt, den Vor-
wurf erhebt, das Fühlen zeige nur eine sehr geringe Übereinstimmung selbst bei
e'nfachsten Versuchen mit Farben und Linien, »die noch lange kein Kunstwerk
ausmachen«, übersieht er zweierlei: nämlich die Tatsache, daß es der Forschung
geglückt ist, selbst auf diesen Gebieten gewisse Gesetzmäßigkeiten herauszuarbeiten,
ur>d die sehr wichtige Erscheinung, daß gerade die einfachsten Fälle mit ihrer
starken sinnlichen Wirkung und der Vieldeutigkeit der Apperzeptionsweisen und
Auffassungserlebnisse, die sie ermöglichen, viel weiteren subjektiven Schwankungen
unterliegen als viel kompliziertere Gegebenheiten, bei denen das sinnliche Moment
eine geringere Rolle spielt, und die für Apperzeption und Auffassung eindeutig be-
stimmt sind.

Für sehr wichtig hält v. Frimmel die Beantwortung der Frage, was denn eigent-
lch Kunst ist, und nach längeren Erörterungen gelangt er zu dem Ergebnis, »Kunst
urde man wohl ungezwungen auffassen können als das Schaffen von Werken,
le sich durch Bedeutung und Eigenart über das erheben, was in der gleichen
euperiode vom Durchschnittsmenschen geschaffen wurde und wird«. Mich kann
nun diese neue Grundlegung nicht befriedigen, selbst bei Berücksichtigung dessen,
aß der Verfasser an anderer Stelle noch Erfindungsgabe und schöpferische Phan-
asie als Merkmale des Kunstschaffens anführt. Arbeiten, die sich über das Durch-
schnittsmaß erheben, begegnen wir auch in Wissenschaft und Technik, wobei häufig
Zü ihrer Erzeugung Erfindungsgabe und schöpferische Phantasie wesentlich gehören;
aber deswegen gelten sie uns noch nicht als Kunstwerke. Wollen wir hier eine
Zutreffende Begriffsbestimmung geben, dürfen wir wohl des ästhetischen Wertes
•cht vergessen, da in seiner Hervorbringung die Eigenart des künstlerischen Schaffens
'nd in seiner Aufnahme die Besonderheit der ästhetischen Aufnahme begründet
legen. Ebenso unbefriedigend scheint mir die Angabe, das »triebhafte« Entstehen
gerade der besten Kunstwerke sei »nicht mehr zweifelhaft«. Daß strengster Arbeit
"d eifrigstem Studium keine Meisterwerke entwachsen, wenn der zündende Funke
s Genies fehlt, will ich gern zugeben, aber dabei doch betonen, daß Arbeit und
... "mm nicht etwa belanglose Kleinigkeiten sind, sondern mit wichtige Bedingungen
die glückliche Lösung, falls es sich um ein größeres Werk handelt, und nicht
Wa um ein kleines Gedicht, eine flüchtige Studie oder ein Ornament.

Von höchster Bedeutung scheint unserem Verfasser die angebliche Erkenntnis
011 der gänzlichen Subjektivität alles ästhetischen Fühlens, die er mit ähnlichen
rgumenten verteidigt wie Eduard Kulke in seiner »Kritik der Philosophie des
chönen«, die ich vor einiger Zeit — III, S. 155 f. — in dieser Zeitschrift angezeigt
abei so daß ich hinsichtlich meiner Stellungnahme zu der vorliegenden Frage auf
>ese Besprechung zurückweisen kann. Nach der Ansicht des Verfassers werden
lr demnach »nicht durch das Fühlen*, sondern nur durch »verstandesmäßige Betrach-
H"o.über die Objekte, die Kunstwerke genaueres erfahren«. »Schönfinden und
auhchfinden sind augenscheinlich ebensosehr physiologische und psychologische
fgensätze, wie Liebe und Haß, Zuneigung und Abscheu, Lust und Unlust«, und
n subjektiver Natur. An ihre Stelle setzt nun v. Frimmel den Grad der »Voll-

eitschr. f. Ästhetik u. allg. Kumtwissenschaft. V. 30
 
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