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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 5.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.3528#0615

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BESPRECHUNGEN. 611

kehrte Augenbewegung der Akkommodation zu immer größerer Naheinstellung auf-
zwingt.

Ich selber möchte hier kurz einen Gesichtspunkt durchführen, der mir von
eigenen Arbeiten her (vgl. z. B. die Rubrik »Bemerkungen« im vorigen Heft) beson-
ders vertraut ist: dann sehe ich an einem Portal besonders den Rahmen, wie er
sich auch an Fenstern zeigt, und erblicke seine Funktion in einer Schutzaufgabe.
Denn dieser Rahmen, weshalb ist er denn überhaupt da? Zunächst, damit er tech-
nisch-praktisch die Wand oben und an den Seiten der Öffnung gegen den Druck,
der von oben und von den Seiten her kommt, schütze. Auch dazu haben und
brauchen größere Eingänge eine stärkere Rahmung als kleine, weil die Über-
brückungsstelle des Architravs oder der Archivolte da mehr gefährdet scheint und
weil auch der seitliche Schub größer ist. Und das alles wird natürlich auch »ge-
sehen«, d. h. ästhetisch von uns aufgenommen. — Dies ist eine Erwägung, die ähn-
lich auch Redslob hat, S. 5 heißt es bei ihm: »Bei größeren Türeinschnitten ver-
langte die Last der auf dem Türbalken (Türsturz) lagernden Wand nach einer seit-
lichen Ableitung. Man erreichte sie durch Einfügung eines über dem Türsturz
ausgespannten Rundbogens, der von Säulen getragen wird.« Das ist allerdings
schon ein komplizierterer Gedanke. Der einfachste Fall dagegen, der aber bereits
die allgemeine Aufgabe der Befestigung an dieser Stelle zeigt, liegt vor in den be-
sonderen radial um die Öffnung gerichteten Steinlagen, die schon in allerfrühesten
Beispielen dort am Rande vorkommen: sie mauern den Durchbruch besonders aus
und montieren ihn, so daß er nicht mehr wie ein bloß herausgeschlagenes Loch
erscheint; später wird oft zur Umsäumung ein anderes, härteres Material, als die
sonstige Wand zeigt, dorthin genommen. Auf diese Weise ist zugleich eine aus-
drückliche Verbindung vorhanden zwischen dem Stein der Wand und den Metall-
oder Holzplatten der Türfüllung. Denselben Sinn hat auch die Holz- oder Metall-
verkleidung der Türpfosten selbst; außerdem könnten sich ohne sie, ohne diesen
ausspannenden Halt, die Holzbretter der Füllung leicht werfen und reißen.

Dieses Innere der Tür und des Fensters wird durch die Rahmung indessen
noch mannigfach geschützt. So liegt das Glas oder Holz zurück hinter der Mauer-
fläche oder hinter einer hervortretenden, stark profilierten Randverkleidung oder
-Verbrämung, die seitlich vielleicht besondere flankierende und vorspringende Pi-
laster aufweist oder gar noch weiter vorwärts freistehende Pylonen; wie man
ähnlich in Zimmern bei der Aufstellung von Möbeln sozusagen Türhüter aus
Schränken und dergleichen gewinnt. Jedenfalls bekommen Fenster und Türen meist
eine recht geborgene Lage; sie erscheinen ja auch im Vergleich zur Wand als eine
schwache Stelle und bedürfen des Schutzes sehr; und wenn sie geöffnet sind, mag
der Zugang oft schon gegen die Witterung beschützt erscheinen, etwa durch be-
sondere Bekrönungen und Überdachungen. Geht dann die Mauer an den Lai-
bungen stufenweise sich verengend hinein, wie z. B. im romanischen Stil, so wird
die Lage wohl noch deutlicher betont.

Dann stehen auch die Ecken und Kanten am allerwenigsten exponiert da, sind
selber nicht mehr gefährdet und auch für die vorübergehenden (oder sich aus dem
Fenster lehnenden) Personen nicht mehr so ungemütlich scharf und hart. Auch
deshalb wirkt dort das Abrunden besonders glücklich. Denn so stark ist der Ver-
kehr sonst nirgends einem Punkt zugeleitet, man denke zumal an Stadttore mit
ihrem Wagenverkehr, dem denn auch häufig besondere Ecksteine vor den Ecken
begegnen; aber eine recht starke Bewehrung brauchen alle öffentlichen Eingänge
auch aus diesem Grunde. Auch manche Brückenköpfe haben ihre ästhetische Logik
zum Teil in solchen Momenten. Doch selbst die stillere Gartenpforte weist mit
 
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