Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 5.1910

DOI Artikel:
Besprechungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3528#0621

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
BESPRECHUNGEN. 617

Hiergegen denke man nur an Ruskin, wie schwer einem der solche Transposition
macht.

Diese neue Schrift nun berührt sich natürlich mit früheren Lieblingsgedanken
Lichtwarks. Auf solche Stellen werden wir hier nicht von neuem den Finger legen.
Aus dem großen Reichtum des Buches mit seinen zwei Hauptkapiteln »Der Heide-
garten« und »Das Problem des Hamburger Stadtparks« nehmen wir das
erste als Beispiel zu genauerer Betrachtung heraus.

Vieles freilich, was für den Blumenzüchter da gesagt ist — der ist ja etwas
anderes als was wir mit dem Worte Gartenkünstler meinen, wobei man eben meist
an größere Anordnungen denkt —, vieles also davon müssen wir uns als zu einzeln
hier versagen. Aber Grundgedanken wie der folgende ziehen sich auch dort hin-
durch: bewußtes Prüfen der freien Natur auf ihre Verwendbarkeit und Steigerungs-
fähio-keit im Garten sei immer wieder anzuempfehlen. Das sind wirklich kultivierende
Sätze. Lichtwark kennt in seiner Gegend einzelne bestimmte Pflanzenexemplare in
der Heide, zu denen er jedes Jahr in der Blütezeit spaziert.

Der Heidegarten ist nun etwas ganz anderes als der Bauerngarten, Lichtwarks
erste Entdeckung und frühe Liebe auf diesem Felde. Zusammenhang freilich mit
der umgebenden Natur empfiehlt er hier wie dort und will z. B. keine »verzärtelten
Gartenblumen, die viel Wasser brauchen«, in den Heidegarten bringen. Und beide-
mal bleibt er weit ab von der lehrhaften Absichtlichkeit des sogenannten »bio-
logischen« Gartens, der ein Herbarium der gesamten Flora der Gegend und eine
Nachbildung ihrer verschiedenen terrestrischen Formationen sein möchte.

Unb'ekümmert fängt er gleich mit Hamburg an, denn »mit den Problemen, die
sich in Hamburg aufwerfen, wird überall gerungen«; es handelt sich für den Groß-
städter eben darum, mit »einer halben Stunde Eisenbahnfahrt tiefe Einsamkeit zu
erreichen«. Und er nimmt eine lebendige Situation an, ein Gespräch in der Heide
mit einem baulustigen Laienfreunde, das ihm die literarische Form liefert.

Gleich am Anfang stehen so ausgreifende Sätze wie dieser: »Die Erneuerung
des Wohnhausbaues hängt unmittelbar von der Umbildung des Geschmackes in der
Gartenkunst ab. Solange diese bleibt, wie sie ist, kann man überhaupt keine ver-
nünftigen Häuser bauen« (S. 12). Z. B.: »Das Haus erhebt sich am traulichsten
von flachem, unbewegtem Boden. Wer zum ersten Mal ein altes Haus sieht, das
auf einer wirklich wagerechten Ebene steht, bekommt ein Gefühl, als ob er Musik
hörte« (S. 17).

Ein fachmännisch gebildeter Gärtner aber »hat eine zu strenge Schulung in der
nun schon mehr als 100jährigen Überlieferung des sogenannten englischen Gartens
durchgemacht« (S. 18) — »denn die Karikatur, die wir daraus gemacht haben, ist
den Engländern unbekannt« (S. 31) —, von ihm also werde die Umgestaltung und
Neugestaltung nicht ausgehen können. In der Tat: alle gewichtigen Stimmen heute
wollen den Handwerker auf allen Gebieten, sofern er künstlerische Absichten hegt,
unter die Leitung von Künstlern stellen, dagegen erleben wir ja auch die Rückwärts-
bewegung des »Semperbundes« der organisierten Handwerker, eine Enge der Inter-
essenpolitik, neben der die Einstellung auf weite nationale Kultur- und nicht etwa
nur Wirtschaftszusammenhänge bei Lichtwark außerordentlich wohltut. Er faßt die
Anlage eines eigenen Gartens durch den Auftraggeber selber als Erholungsarbeit
auf und empfiehlt sie und Ähnliches als Ersatz »unserer barbarischen und uner-
sprießlichen Geselligkeit«. Das sei in England schon ganz anders. Keinen Satz
davon will ich zitieren, sie sind alle zu schade dazu.

Das Haus stehe etwa, um ein Beispiel von der Wahl der Lage für die ganze
Anlage zu geben, »an der Grenze einer Fläche, nicht in der Mitte. Von den Fenstern


 
Annotationen