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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 20.1926

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https://doi.org/10.11588/diglit.14166#0082
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72

BESPRECHUNGEN.

dung möglich ist, mag hier nicht untersucht werden, es sei nur auf ihr Vorhanden-
sein in der Strukturpsychologie Sprangers oder der Gestaltspsychologie Köhlers,
Wertheimers und anderer hingewiesen.

Eine sehr interessante Ausführung erfährt diese neugewonnene philosophische
Psychologie in dem Buch des Schweizer Philosophen und bekannten Pädagogen
Haeberlin. Seine Eigenart im Grundsätzlichen besteht darin, das Seelische nicht
als isolierten Vorgang zu betrachten, der in einem Individuum abläuft, sondern von
einem psychischen Universalzusammenhang auszugehen, der die Grundlage zum
Verständnis des einzelseelischen Geschehens ist. Zwar gibt es, dessen ist sich der
Verfasser klar, keine Wissenschaft von diesem Universalpsychischen, sondern nur
von einem kleinen Ausschnitt aus demselben, dem menschlich-persönlichen Ge-
schehen, wenn man von der ziemlich problematischen Tierpsychologie absieht. Aber
das menschliche Seelenleben muß doch in methodischer Hinwendung auf das Ge-
samtpsychische betrachtet werden. Dabei wird hier vorausgesetzt, was der Verfasser
in einer früheren Schrift über den »Gegenstand der Psychologie« zu erweisen unter-
nommen hat, daß nämlich die Psychologie im Unterschied von der Naturwissen-
schaft alles Wirkliche in »persönlich-seelischer Existenzform« zu denken habe, wenn
wir es auch nicht immer so verstehend erfassen können. »Einem vollkommenen
Verständnis würden alle Naturvorgänge sich ebenso als persönliches Geschehen
enthüllen, wie etwa gewisse in naturhafter Auffassung psychologisch' genannte Vor-
gänge des Menschen sich der Selbsterfahrung oder dem verstehenden Blick des
Beobachters als Handlungen, Motive, Gefühle, Empfindungen offenbaren« (S. 15).
Dieser Panpsychismus, der, wie die gesamten Ausführungen des Buches erweisen,
methodologisch gemeint ist, und sich damit von der metaphysisch eingestellten
Theorie Fechners unterscheidet, verbindet sich mit einem Panvitalismus durch die
weitere grundlegende Voraussetzung, daß alles seelische Geschehen ein Lebens-
vorgang sei oder, genauer gesagt, dessen Innenseite. Da dies empirisch nur fest-
stellbar ist beim Menschen, so gibt es nur eine anthropologische Psychologie als
Wissenschaft, welcher auf Grund der angeführten beiden Voraussetzungen die Auf-
gabe zukommt, jede seelische Erscheinung im Zusammenhang des psychischen Indi-
viduums, dieses aber letztlich als organisch eingefügtes Glied im Zusammenhang
des seelischen Universums zu begreifen.

Daraus ergibt sich die Einteilung des Werkes. Denn einerseits kann man nach
den Tendenzen des seelischen Lebens fragen, nach seinen Strebungen und Rich-
tungen, anderseits nach der formalen Struktur, welche die Mannigfaltigkeit der ver-
schiedenen Strebungen zusammenschließt zur Einheit der Seele als dem Subjekt
verschiedener Funktionen. So zerfällt das Buch in zwei Teile, wovon der erste die
Form des Lebens, während der zweite seinen Inhalt darstellt.

Das Leben, das biologische und das seelische, ist gebunden an die Form der
Individualität. Individuum ist das, was Subjekt seiner Handlungen ist. Insofern diese
aber in einer Mannigfaltigkeit bestehen, ist es eine funktionelle Ganzheit. Eine
»Psychologie ohne Seele« ist darum abzulehnen, weil jede Funktion auf das sie
tragende Subjekt, die Seele, zurückzuführen ist, wenn auch zuzugeben ist, daß die
Seele immer nur in ihren Funktionen in Erscheinung tritt. Außer dem, daß der
Mensch seelisches Subjekt ist, muß aber noch beachtet werden, daß er ein beson-
derer Teil der Wirklichkeit ist, also ein Sonderindividuum. Wie nun die einzelne
seelische Funktion zum Handlungssubjekt, der Seele, so verhält sich die Einzelseele
zum Universum, als dem obersten Subjekt oder Individuum. Die Einzelseele ist
aber nur in bedingter Weise als Subjekt ihrer Handlungen aufzufassen, denn diese
werden auch bestimmt vom universalen Subjekt her. Wir erhalten so die Vorstel-
 
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