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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 20.1926

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Thomae, Walter: Plastisch und Malerisch
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https://doi.org/10.11588/diglit.14166#0267
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VIII.

Plastisch und Malerisch.

Von

Walter Thotraae.

Mit 4 Figuren.

Je drückender die Fülle der Erscheinungen wird, welche in der
Kunstgeschichte verzeichnet und bearbeitet werden, desto stärker ist
das Bedürfnis nach Begriffen, durch welche diese Erscheinungen ein-
deutig bezeichnet werden. Man bedient sich dazu der Worte, welche
die Sprache liefert, aber diese erweist sich bald als zu arm und zu
vieldeutig; danach hat die Wissenschaft einen anderen Weg einzu-
schlagen, um zu einer brauchbaren Terminologie zu kommen. Das
Ursprüngliche sind nicht die Begriffe, sondern die Erscheinungen,
welche in Natur und Künsten vorhanden sind, und zu diesen kommen
noch die Möglichkeiten von Erscheinungen, welche in Natur und
Künsten nicht vorkommen, denn diese sind keineswegs lückenlos.
Die Ordnung, in welche sich diese Erscheinungen bringen lassen, ist
eine Art angewandter Naturwissenschaft von elementarem Gepräge;
und zwar ist es in der sichtbaren Natur und Kunst vorzugsweise die
Optik, daneben auch die Mechanik, welche zur Anwendung kommt.
Bei dieser Ordnung empfinden wir die Notwendigkeit, typische Er-
scheinungen mit Namen zu belegen, und wir wählen dieselben mög-
lichst so, daß sie dem Sprachgebrauch entsprechen. Ist die Sprache
zu arm, um alle Erscheinungen genügend zu unterscheiden, so muß
es zu Neubildungen von Worten kommen; ob diese allgemein
angenommen werden, ist Sache der Übereinkunft in der Literatur.
Also heißt es in der Wissenschaft nicht: am Anfang war das Wort,
sondern am Anfang war die Erscheinung, das Objekt, und das Wort
ist ein für diese geschaffenes Hilfsmittel.

Die Kunstwissenschaft hat nun, verglichen mit anderen Disziplinen,
das Eigentümliche, daß sie von den Erscheinungen nur redet, insofern
diese Gefühlswirkungen erregen. Auch das Kunstwerk ist ein physi-
sches Objekt und zerfällt in Elemente, aber diese sind Träger einer
Wirkung, und es ist Aufgabe einer eignen Wissenschaft, die Wirkungs-
formen der Objekte zu beschreiben und zu begründen. Diese zweite
Wissenschaft ist aber ohne die erste nicht denkbar, diese ist vielmehr

Zeitschr. f. Ästhetik u. allg. Kunstwissenschaft. XX. 17
 
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