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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 20.1926

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Everth, Erich: C. F. Meyers epischer Sprachstil
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https://doi.org/10.11588/diglit.14166#0140
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ERICH EVERTH.

die dem Erzähler heldischer Taten ansteht, und so ist C. F. Meyers
Sprache dem heroischen Charakter der Menschen und Vorgänge, die
er darstellt, kongenial. Er wird im Streben nach Deutlichkeit nicht
kleinlich, umständlich oder pedantisch, spart z. B. viele Partikel wie
dann, und so, trotzdem und dergleichen, seine Einfachheit ist die des
Monumentalen. Das ist eine andere Simplizität als die bescheidene
Schlichtheit der Idylle, etwa des Matthias Claudius, doch verschmähen
beide gleichermaßen Wortgespiel und Schönrednerei, ihre Einfalt quillt
aus der Sachlichkeit. So wird sie bei Meyer weder raffiniert noch
archaisch, wie z. B. der künstliche Chronikenstil, in dem manche Be-
wunderer der klassischen Novellisten Italiens und Frankreichs stecken-
geblieben sind. Conrad Ferdinand hatte zu viel eigenen Stil, um zu
stilisieren, er liebte jene elegantia non soluni verborum, sed rerum,
von der Augustin spricht und die besonders der epischen Haltung
ansteht.

So klar wie möglich, das war sein Ziel, dasselbe Ideal, das zu der
gleichen Zeit auf anderem Felde Marees und Adolf Hildebrand beseelte
und nach dem Konrad Fiedler, der Freund beider, seine feine und
tiefe Kunstphilosophie orientiert hat. Meyers Tatsachenstil ist vergleich-
bar dem Sachstil der Baukunst: wie dieser mit aufgeklebten Verzie-
rungen nichts zu tun hat, so finden in der echt erzählerischen Prosa
künstliche Redefiguren, papierene Wortblumen keine Statt. Ihr Stil ist
mehr tektonisch als ornamental, wobei ich ornamental eine Sprache
nenne, in der die kleine Form die große überwuchert. C. F. Meyer
war ursprünglich und eigenartig genug, um auf den sogenannten
Schmuck der Rede verzichten zu können.

So blendet seine Prosa nicht durch dialektische Wendungen, sie
glänzt weder durch klangliche Homologien, worin Nietzsche schwelgte,
noch durch Alliterationen oder Assonanzen, darin sich Scheffel nicht
genug tun konnte; keine Vorliebe für Antithesen, die im Drama zum
Ausdruck der kämpferischen Stimmung verhelfen, sonst aber oft aus
unsachlicher Heraustreibung von Gegensätzen entstehen; selten Chias-
men, die in W. H. Riehls historischen Novellen überwuchern, ebenso
selten Variationen des gleichen Gedankens in Parallelismen usw. Kurz-
um, stilistische Tropen, die sich nicht aus dem Inhalt ergeben, son-
dern mit ihm spielen, Koloraturen eines bei canto oder gymnastische
Vergnügungen eines abstrakten Geistes gehörten nicht zu den Bedürf-
nissen seines Formtriebes. Da bei ihm Reflexion kaum zu schwachen
Keimen gedeiht, blüht auch Rhetorik nicht, es sei denn, daß sie cha-
rakterisieren, etwa die Konversation einer bestimmten Zeit darstellen
soll. In seiner ersten Prosaarbeit, dem Amulett, finden sich stellenweis
rhetorische Formeln, die wenigstens zum Teil auf das Konto des
 
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