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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 20.1926

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Stoltenberg, Hans Lorenz: Arno Holz und die deutsche Sprachkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.14166#0167
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ARNO HOLZ UND DIE DEUTSCHE SPRACHKUNST. 157

Aus diesem Gesetz folgte in bezug auf die Sprache, deren Kunst
ich ja hier untersuchen will, zweierlei.

Einmal ist die Sprache als Rede darzustellender Menschen im
Sinne dieses Kunstgesetzes »Natur« und mußte deshalb so natur-
getreu wie möglich wiedergegeben werden. Das ist denn auch
in den Schauspielen, in denen ja die »Rede« einen Hauptinhalt bildet,
gewollt — »die Sprache des Theaters ist die Sprache des Lebens«
(X, 214) — und geschehen. Wesen und Stimmung der einzelnen Per-
sonen sind nicht nur durch den Inhalt des Gesprochenen, sondern
auch durch die Form des Sprechens genau gekennzeichnet, sei es
durch verschiedene Mundarten wie in den Sozialaristokraten, sei es
durch andere Sprecharten: durch Stimmfarbe (»Rede klangvoll-pedan-
tisch«, »Ausländischer Akzent« V, 5), durch den vorübergehenden
Sprechton (Fiebig »endet seine Sätze mit Vorliebe in einer Art halb
sich beschwerender, halb fragender Akzentuierung« V, 4) oder durch
den Satzbau, vor allem durch abgebrochene Sätze (»Onkel Ludwig:
. . . Wer soll jetzt durch diese Tür... Marianne: ... Verzeih! . . .
Ich war im Moment... Onkel Ludwig: ... Erst sucht man dich
den ganzen Morgen . . . wie 'ne Stecknadel, und wenn man dich dann
endlich ... Marianne: ... Ach, Onkel Ludwig!« VI, 7).

Damit ist Holz sicherlich über das, was er vorfand, hinausgegangen
und hat er anregend weitergewirkt. Doch darauf will ich hier nicht
genauer eingehen.

Dann aber ist die Sprache außer Kunst werdende Natur« auch
noch Kunst gestaltendes »Mittel« und mußte als solches entwickelt
werden, sollte sich die Kunst selber entwickeln (X, 190), und dazu
boten der nicht wie die Schauspiele wesentlich Rede, sondern
andere >Natur« gestaltende Phantasus, sowie die >Phantasus«-Stellen
der Blechschmiede die Gelegenheit.

So kam es, daß Holz nicht nur zum »naturalistischen Impressio-
nismus in den Schauspielen, sondern auch zum »idealistischen Ex-
pressionismus« im Phantasus gelangte, ähnlich wie etwa van Gogh
sowohl »Impressionist« mit der Farbe als »Natur« gewesen ist, wie
aber auch »Expressionist« mit der Farbe als »Mittel« seiner Kunst1).

Die Sprache als Kunstmittel kann nun einmal auf ihren Wortreich-
tum und die Gesetze ihrer Wortneubildung, dann auf die Verwendung
des Klang- und Geräuschlauthaften, im besonderen der Reime, end-
lich — und nicht am wenigsten — auf die Anordnung der Betonungs-
unterschiede, d. h. auf den Redlauf hin untersucht werden, und diese

') Vgl. dazu meinen Aufsatz »Sinnen- und Übersinnenkunst« in dieser Zeit-
schrift XVI (1921), 1.
 
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