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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 20.1926

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Thomae, Walter: Plastisch und Malerisch
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https://doi.org/10.11588/diglit.14166#0284
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WALTER THOMAE.

stark gewirkt. Es war das erstemal, daß ein praktischer Künstler aus
seiner Werkstatterfahrung heraus zu Kunsthistorikern und Kunstfreunden
sprach und eine Reihe Begriffe, wie: Raum wert, Funktionswert, Über-
schneidung, Erfahrung, Lichtrichtung, Gerüst aus senkrechten und wag-
rechten in die Literatur einführte, wo man bisher die Denkmäler nicht
darauf angesehen hatte. Vom Standpunkte einer praktischen Optik ist
Hildebrandts Arbeit nicht nur unvollständig und fehlerhaft, sondern
unkausal und stellenweise gradezu kindlich; es hat seinen Platz in der
Geschichte der Kunstwissenschaft, weil es einen Stein ins Rollen
brachte; Wölfflin hat die Konsequenzen gezogen.

Schweinfurth nennt folgende Kriterien des Malerischen: 1. Licht und
Schatten, 2. Muskelspiel, 3. Affekte, 4. das Zufällige, 5. das Stoffliche.
Bei dieser Aufzählung koordiniert er, was er hätte subordinieren müssen.
Das Malerische ist zunächst mit Licht und Schatten zusammenzu-
bringen, alles andere ist abgeleitet. Muskelspiel, Affekte, Zufälliges (wohl
soviel wie Unorganisches), Stoffliches wirkt zunächst so, daß es die
Form bereichert und die Bestimmtheit des Eindrucks
lockert, infolgedessen wirkt es auch bereichernd und lockernd
auf die Töne, und darum wird es dem Malerischen zugewiesen. —
Sodann behauptet er, das Plastische (er nennt es das Rhythmische) sei
klar und geschlossen, sei »physisch«; das Malerische hingegen (er
nennt es das Atmosphärische) sei metaphysisch und geheimnisvoll.
Linie und Ton sind aber nur Mittel, das Klare oder Geheimnisvolle
ist ein Ziel und kann mit jedem Mittel dargestellt werden. Wir
haben linearen Mystizismus so gut wie malerische Klarheit. Die natür-
lichen Mittel Licht und Schatten, Atmosphäre oder wie es sonst heißen
soll, sind am Geheimnis ganz unschuldig; daß man sie als Träger
transzendenten Ausdrucks ansieht, beruht wahrscheinlich auf einem
Mißverstehen der Kunst Rembrandts.
 
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