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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 20.1926

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https://doi.org/10.11588/diglit.14166#0364
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354

BESPRECHUNGEN.

formaler Vollkommenheit auftrat. Dann aber gibt der Süden doch die Führerschaft
ab an den norddeutschen Backsteinbau, der den Konstruktionsgedanken des Materials
in den Vordergrund stellt und mit wundervoller innerer Folgerichtigkeit weiterbildet.
Die Untersuchung kommt zu dem Schluß, daß die Backsteinbaukunst des Abend-
landes historisch betrachtet »keine ureigene Schöpfung ist«.

Künstlerisch aber führt die abendländische Entwicklung trotzdem zu eigenem
Schöpfertum, ja schließlich zum entscheidenden Sieg des im Backsteinbau schlum-
mernden konstruktiven Prinzips.

Der Verfasser verfolgt, wie im Backsteinbau zwei grundsätzliche Möglichkeiten
liegen, eine umhüllende und eine konstruktive. Die umhüllende bildet im Laufe der
Zeit alle Möglichkeiten einer interessanten und wirkungsvollen Inkrustationskunst
aus. Dieser Weg führt zu den Meisterwerken der »Mantelarchitektur« des Backsteins,
die immer mehr das Wirkungsfeld der morgenländischen Entwicklung wird.

Die Konstruktive dagegen führt unter dem Einfluß der »mittelalterlichen Grund-
idee« zu einer immer vollkommeneren Entfaltung der Konstruktionsgedanken des
Materials. So zeigen sich schließlich trotz aller historischen Zusammenhänge die
babylonische und die norddeutsche Backsteinkunst als äußerste polare Gegensätze in
der Entwicklung der baulichen Möglichkeiten, die dem Backsteinbau eigen sind.

Auf diese großen Grundzüge läßt der Verfasser dann in einem zweiten Teil
die Betrachtung der Einzelbildungen des Backsteinbaues folgen, die den schaffen-
den Baukünstler stets wieder vor innerlich verwandte Aufgaben stellen. Sie ergeben
sich eben aus dem Wesen dieses künstlichen, kleingeformten Baumaterials, das zu
Gedankengängen zwingt, die nicht von außen in seine Gestaltung hineingetragen
werden, sondern die sich von innen aus den Grenzen seiner technischen Eigen-
schaften entwickeln.

Während die Geschichte der Werksteinarchitektur vor allem eine Stilgeschichte
ist, bei der Völker und Zeiten sich deutlich im künstlerischen Ausdruck trennen, zu
dem sie geführt werden, ist die Geschichte des Backsteinbaus eine Geschichte tech-
nischer Methoden, die über alle Völkerunterschiede und stilistischen Zeitunter-
schiede hinweg die kennzeichnende Eigenart dieses Zweiges der Baukunst aus den
Eigentümlichkeiten des Materials gewinnen.

Dieser große grundsätzliche Unterschied gibt dem Backsteinbau innerhalb der
Baukunst seine Sonderstellung und seine ästhetische Bedeutung. Diese ist zugleich
der Grund, weshalb uns der Backsteinbau heute so geeignet erscheint, um für die
vielgestaltigen Bedürfnisse unserer Tage den Ausdruck zu finden.

Dabei kann man freilich nicht verkennen, daß es nicht der mit Gewölbebau
eng verwachsene norddeutsche Backsteinbau der mittelalterlichen Blütezeit ist, was
bei uns wieder auflebt, sondern eine Backsteinsprache, die mit dem Eisenbeton als
konstruktivem Gerippe zu rechnen gezwungen ist und deshalb die umhüllenden
Eigenschaften der Backsteinkunst in besonderem Maße weiterentwickeln muß. Eine
eigentümliche Synthese der beiden entgegengesetzten Entwicklungsrichtungen, die
im Buche dargestellt werden, wird die unvermeidliche Folge sein.

Was Wachtsmuth im zweiten Teil über Fugung und Verband, Flächenbelebung,
Flächengliederung und Formsteingestaltung auf historischer Grundlage ausführt, hat
gleich starkes Interesse, ob man nun die umhüllenden oder die konstruktiven Eigen-
schaften des Backsteinbaus in den Vordergrund stellt. Denn auch in seinen um-
hüllenden Funktionen bleibt die Konstruktion der Fläche und der gliedernden Form
ein lebendiges und wichtiges Kapitel für alle Backsteingestaltung.

Heute noch gilt, wie zu allen Zeiten, was der Verfasser als das Charakteri-
stische seiner Untersuchungen schließlich in die Worte zusammenfaßt: »Das Material
 
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