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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 20.1926

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https://doi.org/10.11588/diglit.14166#0367
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BESPRECHUNGEN.

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altfranzösische Malerei, den in solcher Ausführlichkeit bisher kein deutsches Hand-
buch vermittelte.

Der räsonnierende Künstlerkatalog ist brauchbar. Das Literaturverzeichnis weist
einige empfindliche Lücken auf. Die Schriften von Max Dvorak, Karl von Mandach,
Andre Hailays u. a. sind nicht erwähnt. Was das Nachwort betrifft, so ist es in
jenem sprunghaften, prickelnden Stil geschrieben, der für Hausenstein charakteristisch
ist. Durch die vielfältige Verwendung von Analogien und Metaphern regt der Text
an; aber er unterrichtet nicht. Es fehlt dem Nachwort eine klare Architektur. Die
Entwicklungsgeschichte wird nicht in historischer Folge erzählt, sondern nach kurzem
Ansatz unterbrochen, dann wieder aufgenommen, wieder abgebrochen, nach ab-
wegigen Intermezzi von neuem fortgesetzt usf., so daß die Lektüre mehr verwir-
rend als klärend wirkt. Avignons Stellung in der Kunstgeschichte Frankreichs wird
nicht deutlich. Wie ganz anders ist schon in Dvoläks früherer Arbeit Avignons Bedeu-
tung herausgearbeitet worden. Auf die berühmte Pietä von Avignon geht Hausen-
stein nur in einem Nebensatz ein, obwohl diese Tafel das wichtigste Denkmal der
südfranzösischen Malerei ist und bleibt. Auch über die Beziehungen zwischen Kata-
lonien und Südfrankreich hat der Verfasser kein Material beigebracht. Das ganze
Nachwort hätte gründlicher vorbereitet und straffer geschrieben werden sollen.

Berlin.

Otto Grautofr".

Julius Meier-Graefe, Degas. Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der moder-
nen Malerei mit 62 Lichtdrucktafeln. München, R. Piper & Co.

Meier-Graefe ist einer der wenigen Kunstschriftsteller von Rang, die außerhalb
der deutschen Kunstwissenschaft der Gegenwart stehen. Das ergibt sich aus seinem
Autodidaktentum. Er kann sich die Negierung der Ästhetik, der neuzeitlichen, stil-
kritischen und formalistischen Kategorien leisten, weil er eine Persönlichkeit ist.
Nicht als Fachwissenschaftler tritt er in die Arena, sondern als Schriftsteller, der
vom Erlebnis des Menschen im Künstler ausgeht. Seiner kunstgeschichtlichen Dar-
stellung wohnt stets ein romanhafter Zug inne. So ist auch sein Degas angelegt.
Er beginnt im epischen Ton, schildert den Menschen, schafft die äußere und innere
Atmosphäre, in der der Mensch sich bewegte und der Künstler so und nicht anders
produzierte. Vom Standpunkt der positivistischen Philosophie, der experimentellen
Psychologie, der formalästhetischen Methode und der Phänomenologie ließe sich
manches gegen Meier-Graefe einwenden. Je weiter sich diese oder jene Methode
entwickelt, um so selbständiger steht Meier-Graefes künstlergeschichtliche Darstel-
lung daneben. Sein knapper, klarer Stil hat suggestive Kraft. Er deckt im Verlauf
seiner Erzählung Zusammenhänge auf, die für Kunstgeschichte und Kunstwissen-
schaft gleicherweise bedeutungsvoll sind. Auch dieses Buch über Degas enthält viele
wesentliche Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der modernen Kunst. Über die Be-
ziehungen des Meisters zu seinen Zeitgenossen wird neues Material ausgebreitet;
ferner über sein Verhältnis zu den Alten, über seine Arbeitsmethode. Für alles
werden Quellen namhaft gemacht, die in Deutschland bisher noch nicht ausgewertet
wurden. Von grundsätzlicher Bedeutung ist der Abschnitt über den Einfluß Japans
auf die europäische Kunst. Meier-Graefe weist darauf hin, daß schon 1856 in Pariser
Künstlerkreisen japanische Holzschnitte kursierten und daß 1862 bereits in der Rue
de Rivoli ein ostasiatisches Geschäft »La Porte chinoise« bestand, in dem sich Bra-
quemond, Whistler, Burty, Manet, Duret, Degas u. a. trafen. Also schon vor der
Reise Durets und Cernuschis im Jahre 1871 hat Japan auf die führenden Künstler
Frankreichs eingewirkt. Wichtig ist auch die Parallele, die Meier-Graefe zwischen
 
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