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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 21.1927

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Kühn, Herbert: Symbol in prähistorischer Beleuchtung
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https://doi.org/10.11588/diglit.14169#0350

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338

HERBERT KÜHN.

Es ist die eiszeitliche Kunst, die diese Feststellung ermöglicht. Vor
einiger Zeit noch konnte man die Kunst des Paläolithikums als eine
geschlossene Einheit ansehen. Heute ist das nicht mehr möglich, es
heben sich, wie ich an anderer Stelle nachweisen konnte1), drei Stil-
gruppen aus dem Oesamtmaterial heraus, Stilgruppen, die sich sowohl
kunsthistorisch-formal wie auch inhaltlich unterscheiden. Sie sind re-
gional bedingt.

Die erste Gruppe, die franko-kantabrische, umfaßt das Gebiet vom
kantabrischen Gebirge Nordspaniens über Frankreich, Südengland, Bel-
gien, Deutschland, Mähren, Ungarn bis Rußland. Es erscheint in dieser
Gruppe die Skulptur, die Zeichnung und die Malerei, zumeist das Ein-
zelbild.

Die zweite Gruppe, die ostspanische, umfaßt den ganzen Osten
Spaniens südlich der Pyrenäen bis nach Gibraltar. Aus dieser Gruppe
sind Skulpturen bisher noch nicht bekannt, die Malerei an freien Fels-
wänden — nicht in Höhlen — bevorzugt die Gruppendarstellung, das
Zusammen und Gegeneinander der Gestalten.

Die dritte Gruppe, die nordafrikanische, im gesamten Sahara-Atlas-
Gebiet verbreitet, und offenbar Lybien bis Ägypten umspannend, kennt
ebenfalls nur die Zeichnung und Malerei, es kommen sowohl Einzel-
bilder wie Gruppenbilder vor.

Bei allen drei Gruppen aber ist der Stil naturnah, das Wirklichkeits-
bild suchend, plastische Raumwirkung erstrebend. Die Unterschiede
der drei Gruppen liegen in der verschiedenen künstlerischen Problem-
lagerung, in der stilistischen Zielsetzung. Es sind besonders die Pro-
bleme von Farbe, Licht, Raum, Bewegung, die die Differenzierungen
schaffen, Differenzierungen, die bei allen Unterscheidungen die unter
großem Gesichtspunkt einheitliche Gesamthaltung nicht zerstören. Dieser
Einheitlichkeit im Stilwillen entspricht auch eine einheitliche geistige
Haltung als Grundvoraussetzung: die Magie. Nicht, daß durch dieses
Moment das Künstlerische negiert würde — es wird genau so wenig
ausgeschlossen wie in der Gotik, in der die Bildwerke als auf reli-
giöser Grundlage ruhend, doch unzweifelhaft einen künstlerischen Ge-
halt entwickeln.

Es sind viele Momente, die den magisch-symbolischen Zauber be-
weisen. Einmal die vielfach in die Tierbilder der Eiszeit eingezeich-
neten Pfeile, so in der franko-kantabrischen Stilgruppe in Niaux2), Ca-

') Herbert Kühn, Kunstgeschichte Alteuropas. I.Teil, Die Kunst des Paläo-
lithikums (Unter der Presse); ders., Beziehungen und Zusammenhänge der Kunst-
gruppen im Paläoüthikum. Zeitschr. f. Ethnologie 1926, S. 349—367.

5) Cartailhac et Breuil, Les peintures gravures murales des cavernes Pyre-
neennes. III. Niaux. L'Anthropologie 1908, S. 15—46.
 
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