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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 21.1927

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Waltershausen, Hermann Wolfgang von: Rhythmus in der Musik
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Prinzhorn, Hans: Rhythmus im Tanz
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https://doi.org/10.11588/diglit.14169#0288

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276

HANS PRINZHORN.

Bruckners als Beschleunigung empfunden wird, indem von der bis
dahin als Zählzeit herrschenden Ganznote durch Einführung der Viertel
und Vierteltriolen zur Halbnote übergegangen wird, durch die Vor-
schrift »langsamer« aber verhindert wird, plötzlich in doppelt so schnelle
Bewegung zu verfallen. Im weiteren Verfolgen dieser Erkenntnis erklärt
sich auch zwanglos und einleuchtend die z. B. bei J. S. Bach ebenso
wie bei Bruckner u. a. mit gleicher Wirkung auftretende Überstellung
eines (Choral-)Themas als die Kombination zweier verschiedener in ge-
rader Proportion stehender Bewegungen, deren jede ihre eigene Zähl-
zeit hat.

Im Ablauf des musikalischen Geschehens treten die in der Musik
zusammenwirkenden Elemente zu verschiedenen Zeiten in verschie-
denem Maße hervor. Bald liegt das Hauptgewicht auf melodischem,
bald auf irgend einem anderen (z. B. koloristischem), bald auf rhythmi-
schem Gebiete. Stets aber ist der Rhythmus wesentliches, bestimmen-
des Moment. Gerade die Entwicklung im 19. Jahrhundert hat ihn in
seiner Verquickung mit der Harmonik bedeutungsvoll werden lassen.
Als das für unsere Zeit wichtigste Moment innerhalb des Problems
»Rhythmus in der Musik«) dessen Erforschung zu unseren nächsten
Aufgaben gehört, erscheint mir die kurz angedeutete Rolle des Rhyth-
mus als das für die innere Bewegung eines Tonstücks maßgebende
Element; denn erkennt man an der Bewegung den Wesenskern der
Musik, so wird das Problem des Rhythmus zum Schlüsselpunkt für
die gesamte Musikbetrachtung.

Hans Prinzhorn:
Rhythmus im Tanz.

(Verhandlungsleiter: Wolfgang Liepe.)

L

Die Frage nach der Bedeutung, die dem Rhythmus im Tanz zu-
komme, gehört zu jenen Fragen, mittels deren man keine neue Einsicht
gewinnen, sondern sich auf die Urtatsachen besinnen will. Nicht, was
man systematisch über das Problem denken kann, sondern was man
bemerken muß, um sich des vollen Tatbestandes bemächtigen zu können,
das ist unser Ziel. Dabei mögen dann Irrtümer und wolkige Begriffs-
trübungen klargestellt werden, vielleicht auch von dem Standpunkt des
Betrachters aus auf einzelne Probleme Schlaglichter fallen, die wenig
beachtete Stellen deutlicher hervortreten lassen, als es in der üblichen
Beleuchtung der Fall ist. Um dies hier gleich vorauszunehmen: solche
Schlaglichter sollen z. B. heute auf das Problem des Rhythmus im Tanz
vom Standpunkte unserer neueren Persönlichkeitsforschung aus ge-
 
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