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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 21.1927

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Schorn, Karl: Kunst und Natur
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https://doi.org/10.11588/diglit.14169#0084

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Bemerkungen.

Kunst und Natur.

Von

Karl Schorn.

Um das Verhältnis der Kunst zur Natur richtig zu bestimmen, genügt es nicht,
festzustellen, worin beide sich von einander unterscheiden. Es muß vielmehr ver-
sucht werden, jene höher beziehungsweise tiefer gelegene Ebene aufzuweisen, von
welcher aus beide als verschiedene Erscheinungsformen eines einzigen Prinzips er-
kannt werden können.

Was nun jene Unterscheidung von Kunst und Natur anbetrifft, d. h. jene Fest-
stellungen, was Kunst in ihrem Verhältnis zur Natur nicht ist, so handelt es sich
meist um bekannte Dinge. In summarischer Zusammenfassung ließe sich hierüber
etwa folgendes sagen: Zunächst ist Kunst offenbar nicht reine Nachahmung der
Natur im Sinne einer bloßen realistisch gemeinten Wiederholung von deren Erschei-
nungsformen, der als letztzuerstrebendes Ziel die Identifizierung von Kunstwerk und
Naturerscheinung vorschweben würde. Solches Ziel könnte vielleicht in Richtung
der experimentellen Naturwissenschaften, nicht aber in der der Kunst gelegen sein.
Anderseits aber kommen wir dem, was Kunst in ihrem Verhältnis zur Natur ist,
nicht näher, wenn wir im Gegensatz zu obigem behaupten, sie sei Reinigung und
Rückführung der empirischen Scheinbilder der Natur auf ihre ideellen Urbilder.
Solche Absichten sind zwar innerhalb eines besonderen Bereiches künstlerischen
Gestaltungswillens wirksam, als letzte wirkende Ursachen innerhalb der Kunstgestal-
tung allgemein aber sind sie nicht erweisbar.

Um nun zu dem zu gelangen, was Kunst in ihrem Verhältnis zur Natur ist,
müssen wir versuchen, zum Ursprung der künstlerischen Betätigung vorzudringen,
und zwar auf der Linie, von wo her sie als naturnachahmende Betätigung auftaucht.
Wird nun hier gesagt, daß der künstlerische Nachahmungstrieb aus einem ursprüng-
lichen Spieltrieb hergeleitet werden müsse, so ist hiermit recht wenig gesagt; die
Fragestellung erscheint nur um ein Glied nach rückwärts verschoben. Erst wenn
es uns gelingt, diesen spielenden Nachahmungstrieb in seinem Verwandtschafts-
verhältnis zu dem, was eigentlich mit der Nachahmung gemeint ist, zu bestimmen,
wenn wir also den diesem Nachahmungstrieb entsprechenden Urvorgang, sein Vor-
und Gegenspiel erfaßt haben, haben wir etwas für die Bestimmung dieses ursprüng-
lichen künstlerischen Nachahmungstriebes Wertvolles gesagt, nämlich die Möglich-
keit, beziehungsweise Notwendigkeit eines solchen Triebes dargelegt.

Könnte nun von dem naiven künstlerischen Realismus, der sich die Darstellung
von Naturerscheinungen so, wie sie realiter sind, zum Vorwurf nimmt, noch ange-
nommen werden, daß von ihm diese Wirklichkeitserscheinungen als solche mit der
Nachahmung gemeint sind, so erkennen wir schon beim Impressionismus, der sich
die Naturerscheinungen nicht so, wie sie realiter sind, vielmehr so, wie sie der
sinnlichen Subjektivität des Menschen erscheinen, zum Vorwurf nimmt, daß hier
 
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