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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 21.1927

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Schering, Arnold: Symbol in der Musik
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https://doi.org/10.11588/diglit.14169#0407

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SYMBOL IN DER MUSIK.

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das die Melodie objektiv-gegenständlich in sich trägt, ein Dignitatives,
Unbeschreibliches, Unsagbares, das uns doch »etwas zu sagen« hat.

Dieses in Tönen ausgedrückte Unbeschreibliche oder das musi-
kalische Symbol im eigentlichen und letzten Sinn bedarf, um verstanden
zu werden, des Erfahrungswissens und des Hinzutretens von Be-
deutungsvorstellungen nicht mehr als das Schöne der andern Künste,
stirbt gleich diesem nie ab, sondern bleibt dem menschlichen Geist
für alle Zeiten verständlich und wertvoll. Wer es seinem Wesen nach
erkennen will, verspreche sich nicht allzuviel oder gar alles von der
Psychologie, Physiologie und Mathematik, deren Maßstäbe hier versagen.
Auch die einseitig fachliche, bloß kunstwissenschaftliche oder gar nur
historische Stellungnahme genügt nicht. Wir haben vielmehr den Punkt
erreicht, an dem das Symbol in der Musik die Wissenschaft von der
Musik wie alle Kunstwissenschaft zwingt, Ästhetik d. h. Philosophie
zu werden und zwar metaphysische. Nur eine Lehre, die der daseins-,
zeit- und zahlfreien Idee gerecht wird, kann auch das räum-, zeit- und
zahlfreie Sein des Schönen verstehen und im Gegensatz zu allem Sub-
jektivismus seine Objektivität gegenüber dem Auffassenden. Nur meta-
physische Voraussetzungen lassen das alle Künste und ihre inneren
Beziehungen in sich begreifende Urprinzip ahnen, das uns ein Recht
gibt, sogar von Verwandtschaften zwischen Musik und bildender Kunst
zu reden, das Instrumentalkolorit einer Symphonie zu vergleichen mit
der Farbenpracht eines Gemäldes, die Streichquartette Beethovens mit
den Zeichnungen und Radierungen Rembrandts.

Vor kurzer Zeit habe ich bei der Beethovenfeier in Wien auf
Hermann Siebeck hingewiesen und seine Deutung des musikalischen
Symbols. So stark äußerlich der Unterschied erscheinen mag zwischen
ihm und Höfler, so nah ist in Wirklichkeit die innere Verwandtschaft
beider Denker, die sie als Vertreter des konkreten metaphysischen
Idealismus, also der großen deutschen Überlieferung, erscheinen läßt.
Die Musikwissenschaft wird gut daran tun, sich von der reifen Weis-
heit dieser Männer führen zu lassen, nicht aber von einem jugend-
lichen Draufgängertum, das sich in der Geschichte und Theorie durch
die straffe amtliche Organisation dieser Gebiete zur Mäßigung ge-
zwungen sieht, um in Fragen der Ästhetik seiner Genialität umso
zügelloser freien Lauf zu lassen.
 
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