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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 2.1908/​9

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Bühlmann, Josef: Das Mausoleum in Halikarnaß
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https://doi.org/10.11588/diglit.19219#0018

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4 J. Bühlmann.

Gesteinsarten eine große Anzahl der aus denselben verfertigten Kunstwerke beschreibt und
auch deren Schöpfer erwähnt, und so die hauptsächlichen Grundlagen für die Kunst-
geschichte des Altertums geliefert hat. So kommt er im XXXVI. Buch 5. Kap. bei
den Marmorwerken auf Skopas und dessen «Nebenbuhler» zu sprechen und gibt nun
von ihrem berühmtesten Werke, dem Mausoleum, eine ziemlich eingehende Beschreibung
mit Angabe der wichtigsten Maßverhältnisse, die wenigstens geeignet war, der Nach-
welt eine schattenhafte Vorstellung von dem Denkmal zu überliefern. Dieselbe
lautet: «Skopas hatte in derselben Zeit zu Nebenbuhlern den Bryaxis, den Timotheus
und den Leochares, von welchen zugleich gesprochen werden muß, denn sie verfertigten
zusammen die Bildbauerarbeit an dem Mausoleum; so heißt das dem Mausolos, einem
kleinen Könige von Karien, welcher im zweiten Jahre der hundertundsiebenten Olym-
piade (351 v. Chr.) starb, von seiner Gemahlin Artemisia errichtete Grabmal, und diesen
Künstlern ist es hauptsächlich zuzuschreiben, daß dieses Werk zu den sieben Welt-
wundern gehört. Nach Süden und Norden ist es 63 (113) Fuß lang, an den Stirn-
seiten kürzer, im ganzen Umfang hat es 411 (nicht 440) Fuß, die Höhe beträgt
25 Ellen und 36 Säulen fassen es ein. Den Umgang nennt man Pteron (Kinghalle).
Gegen Osten machte Skopas, gegen Norden Bryaxis, gegen Süden Timotheos und gegen
Westen Leochares die Bildhauerarbeit, und noch ehe sie damit fertig waren, starb die
Königin; sie ließen jedoch von dem Werke nicht ab, bis es vollendet war, indem sie es
als ein Denkmal ihres eigenen Ruhmes und der Kunst betrachteten, und noch jetzt
wetteifern ihre Arbeiten miteinander. Es kam auch noch ein fünfter Künstler hinzu,
denn über dem Pteron erhebt sich eine dem Unteren an Höhe gleiche Pyramide, welche
sich in 24 Stufen zu einer Spitzsäule verjüngt; auf dem Gipfel steht ein marmorner
Vierspänner, welchen Pythis gemacht hat; diesen miteinbegriffen beträgt die Höhe des
ganzen Werkes 140 Fuß.»1

Leider ist diese Beschreibung nicht derart abgefaßt, daß sie uns eine klare Vor-
stellung von dem Bauwerk geben könnte; sie scheint aus einer umfangreicheren Schrift-
quelle, vielleicht aus der von Vitruv erwähnten Denkschrift, auszugsweise ohne die nötige
Sachkenntnis hergestellt zu sein und eine Maßangabe derselben ist wahrscheinlich, wie
später gezeigt werden soll, entweder schon bei der Abfassung oder durch spätere Ab-
schreiber falsch wiedergegeben worden. Man erhält fast den Eindruck, als ob aus einer
größeren Beschreibung einzelne Sätze herausgerissen und mit loser Verbindung an-
einandergereiht worden seien. So war diese Schriftstelle denn auch stets ungenügend,
um auf dieselbe hin ohne andere Unterlagen eine einigermaßen zuverlässige Rekon-
struktion zu ermöglichen.

1 Bei der Wichtigkeit dieser Stelle für die Bekonstruktion des Denkmals ist es angezeigt, dieselbe
im lateinischen Urtext wiederzugeben; sie lautet: Scopas habuit aemulos eadem aetate Bryaxim et Timotheum
et Leocharen, de quibus simul dicendum est, quoniam pariter caelavere Mausoleum; sepulchrum hoc est
ab uxore Artemisia factum Mausolo Cariae regulo, qui obiit Olympiadis CVII anno secundo: opus id ut
esset inter Septem miracula, hi maxume fecere artifices. Patet ab austro et septentrione sexagenos ternos
pedes, brevius a frontibus, toto circumitu pedes quadringentos undecim; attollitur in altitudinem viginti
quinque cubitis; cingitur columnis triginta sex; pteron vocavere circumitum. Ab Oriente caelavit Scopas,
a septentrione Bryaxis, a meridie Timotheus, ab occasu Leochares, priusque quam peragerent regina obiit;
non tarnen recesserunt nisi absolute jam, id gloriae ipsorum artisque monimentum judicantes; hodieque
certant manus. Accessit et quintus artifex; namque supra pteron pyramis altitudinem inferiorem aequat,
viginti quattor gradibus in metae cacumen se contrahens. In summo est quadriga marmorea, quam fecit
Pythis; haec adjeeta centum quadraginta pedum altitudine totum opus includit.
 
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