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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 2.1908/​9

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Bühlmann, Josef: Das Mausoleum in Halikarnaß
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https://doi.org/10.11588/diglit.19219#0022

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J. Bühlmann.

Dem Architekten Pullan war es vorbehalten, mit den Ausgrabungsergebnissen
unter Zuhilfenahme der Beschreibung des Plinius eine Rekonstruktion des Denkmales
anzufertigen. Die wesentlichen Bestandteile des Aufbaues waren durch diese Be-
schreibung vorgezeichnet, nämlich eine Ringhalle mit 36 Säulen, darüber eine Pyramide
mit 24 Stufen, die von einer Quadriga bekrönt wurde. Die angegebene Gesamthöhe
von 140 Fuß machte je nach der Höhe der genannten Teile einen mehr oder weniger
hohen Unterbau notwendig. Ein solcher war zudem durch die vergleichsweise Be-
trachtung verwandter kleinerer Denkmäler geboten, die einen ähnlichen Aufbau zeigen
wie das Mausoleum und von denen in der Folge noch die Rede sein soll. In den
folgenden Ausführungen soll für die Maßangaben der englische Fuß, in Dezimalen geteilt,
beibehalten werden, einerseits um die Umrechnung der Maße zu vermeiden, andrerseits
weil der englische Fuß dem alten attischen Fuß, in welchem wahrscheinlich die Maß-
angaben des Plinius gegeben sind, nahe steht und so ein unmittelbarer Vergleich mit
diesen Angaben, die wahrscheinlich in abgerundeten Zahlengrößen gehalten sind, er-
möglicht wird (1 engl. Fuß = 0,3048 m, 1 attischer Fuß = 0,3083 m).

Die erste Aufgabe bei der Rekonstruktion bestand in der Feststellung der Bestand-
teile und Maßverhältnisse der Säulenordnung. Für dieselbe waren Basen, Säulentrommeln,
Kapitelle, Architrav- und Kranzgesimsstücke vorhanden, letztere jedoch nicht je im
ganzen aus einem Stücke gearbeitet, sondern aus mehreren Teilen zusammengesetzt
und namentlich mit eingeschobenen Wellenleisten versehen. Aus den einzelnen Teilen
des Gebälkes und besonders aus der Form des schönen Kapitells und der reichgegliederten
Basis ließ sich erkennen, daß hier die jonische Ordnung auf ungefähr der gleichen Ent-
wicklungsstufe angelangt war, wie an dem schon länger bekannten Tempel zu Priene.
Da man bei diesem Tempel auch früher das Vorhandensein eines Frieses voraussetzte,
so nahm Pullan den einen gefundenen Figurenfries als zum Gebälk gehörig an und
gelangte so zu einer hohen und schwerfälligen Bildung desselben. Seither ist jedoch
mit ziemlicher Sicherheit festgestellt worden, daß das Gebälk des Tempels von Priene
noch in den ursprünglichen Formen der jonischen Ordnung, also ohne Fries, gehalten
war1, und dieselbe Bildung ist vom Mausoleum um so mehr vorauszusetzen, als der Ar-
chitekt Pytheos, der nach Vitruv den Tempel zu Priene erbaut hat, mit dem Architekten
Pitheus, der von ihm für das Mausoleum genannt wird, als identisch anzunehmen ist.
Das Fehlen des Frieses ist auch durch die tiefe Lage der Kassettendecke wahrscheinlich
gemacht, deren Querbalken unter der halben Höhe des Architraves aufliegen. Da in
der antiken Baukunst immer das Bestreben obwaltet, bei Säulenhallen die Felderdecke
möglichst hoch zu legen, hätte hier die sonst unnötige Tieflegung derselben keinen
Sinn. Das Bindeglied unter dem Zahnschnitt ist offenbar zweifelhaft, da Newton zu
demselben in den Gebälkschnitten, Taf. XXI, keine Maße angibt. Es kann dasselbe
ebensogut wie in Priene aus Eierstab und Hohlkehle bestanden haben, wobei letztere
den Ausschnitt der Zahnsehnittplatte zu füllen hätte. Mit dieser Bindeform kann der
Zahnschnitt ohne Bedenken über den Architrav gesetzt werden (Abb. 4).

Der Säulenbasis, von der nur die runden Teile der jonischen Basisform erhalten
sind, ist wohl noch eine rechteckige Plinthe unterzuschieben. Bei dem untern Durch-
messer des Säulenschaftes von 3,54 Fuß darf die Gesamthöhe der Säule mit 9 untern

1 Vergl. Wiegand und Schräder, Priene 1904.
 
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