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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 2.1908/​9

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Thiersch, Hermann: Antike Bauten für Musik, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.19219#0045

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31

ist diese Gleichsetzung xaTaXoßsf? = jcapamSss äußerst problematisch, für Epidauros ist
sie geradezu unmöglich. Einmal müßte doch ebenso wie bei den Pfosten der Türe
(araftfj.otv) auch bei den zwei Konsolen der Dual zu erwarten sein; dann ist die An-
bringung solcher Konsolen in jener epidaurischen Bauphase einfach eine Unmöglichkeit.
Diese «Träger», die seitlich oben neben den Türpfosten sitzen, können, um zu tragen,
doch nur in der Wand festsitzen. Diese ist aber damals in Epidauros noch gar nicht
da! Es können daher gar keine solche Tragekonsolen an der Tholostüre gewesen sein.
Auch die in einzelnen Posten genannten Angaben über die Herstellungskosten dieser
Werkstücke würden sich bei Haussoulliers Auffassung gar nicht verstehen.

Ich kann daher nur Fabricius' und Keils Auffassung von xataXoßeös zustimmen,
die darin den «Träger» der oberen Wandzone sehen, der zugleich als Deckglied über
die Orthostatenschicht hinweggreift und ihre beiden Hälften oben zusammenfaßt1 (xara-
XajAßAvst). Da dies deckende und tragende Gesims nun identisch ist mit jenem feinen Wand-
sims pentelischen Marmors, das, wie wir sahen, tiefer herabgesetzt werden muß, und auf
das sich, wie schon Keil gesehen hat, die Arbeit der xaTaYX6|i.|jiara (Anlegen, Abbozzieren
der ornamentalen Reliefs) und sj-ilb^aza (definitives, tiefes Herausarbeiten derselben) be-
zieht (a. a. 0., S. 88 ff.), so wird die Inschrift wohl folgendermaßen zu verstehen sein:

An zwei Leute wird die Steinmetzarbeit verteilt, die zur Ausschmückung der Cella-
wand zunächst gehört: an Kommodion und Sannion, und zwar anscheinend zu möglichst
gleichen Teilen, in ungefähr zwei Hälften. Kommodion bekommt fast ausschließlich die
Vorarbeit zunächst an den Türpfosten, dann an der ganzen ringsumlaufenden Fenster-
bank; Sannion dagegen die Vorarbeit am Türsturz und die definitive Ausarbeitung an der
umlaufenden Fensterbank. Das war eine den Fähigkeiten der beiden Leute entsprechende
Verteilung. Denn die beiden Arbeitskräfte sind sehr ungleich, und je weiter die Arbeit
vorschreitet, desto deutlicher zeigt sich ihre Ungleichheit. Kommodion ist, wie auch
Haussoullier gesehen hat, der bedeutendere, der geschicktere, der eigentliche Künstler. Er
liefert den Entwurf für die dekorativen Motive und legt auch ein kleines Stück als Skizze
und Muster für das Ganze an (Zeile 91: zb rcapd8si7[j.a twv £YfXofj.ß,ÄTa>v aatpafaXicov >wü
ÄOjAattwv und Zeile 94: i&v ■Ao.xa.fhuL^.&mv sv toiv axa^jj-otv xal JwcaXoßsöai). Sannion muß
sich nach diesem Muster richten, er hat nicht zu erfinden, nur auszführen. Er ist auch
sonst nicht in hervorragender oder wirklich künstlerischer Weise tätig: er wird außer-
dem nur genannt bei der Herstellung der Orthostatenschicht (Zeile 58: ip^aoCa? xai
auvö-eatog «ov X-.&wv tüv rcsvteXixc&v), der Türschwelle (Zeile 136) und (ebenda) der Inschrift-
stele. Es ist charakteristisch für ihn, daß er zweimal wegen Rückständigkeit in der
xaTa-j-XopYj (Zeile 111 und 117) zu Strafen verurteilt werden muß. Die feinere Arbeit, die
künstlerische Erfindung war offenbar nicht seine Sache. Er war kein selbständiger Geist,
er taugte nur zum iYYXtxpsu;.2 Der mehr mechanische Teil der Arbeit fiel ihm zu. Die
merkwürdig ungleiche Auslöhnung der beiden, die Haussoullier infolge seiner irrigen

1 Diese buchstäbliche Bedeutuni;' ist doch wohl auch die Vorbedingung: zu dem übertragenen Sinne
des Verbums: begreifen, erfassen.

2 Das xaid = «über hin» geht offenbar auf das nur leichte Anlegen des Reliefs auf der Oberfläche
des Steins, das ev auf das tiefe Hineinarbeiten in die Masse des Steins auf Grund eben jener leichten, aber ent-
scheidenden Vorarbeit. Gegenüber dieser dem Sprachsinn entnommenen, natürlichen Erklärung der beiden
Ausdrücke scheint mir die von Haussoullier, p. 30, vorgeschlagene («sculpture» — «taille ornamentale») will-
kürlich und unwahrscheinlich. Der Fall bleibt der gleiche, wenn man s-f^-W*™ von l'y.-flu-ssw ableitet.
Es ist dann das «Herausarbeilen» gemeint.
 
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