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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 2.1908/​9

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Thiersch, Hermann: Antike Bauten für Musik, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.19219#0047

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33

Die Tholos hat also Fenster gehabt; wie viele, läßt sich zunächst noch nicht sagen.
Die von Adler1 angenommene Zweizahl der Fenster am Philippeion in Olympia besagt nichts
für unsren Fall. Denn sie ist rein hypothetisch; der Befund dort hindert nicht, auch mehr
Fenster anzusetzen. Wahrscheinlich sind die Fenster in Epidauros axial zur inneren, wie
zur äußeren,Säulenreihe anzunehmen. Ich möchte vermuten, daß sie entweder in ganz
gleichen Abständen ringsum angeordnet waren oder nur seitlich zu je zweien, so daß hinten,
der Tür gegenüber, die Wand apsisartig als ruhiger Hintergrund geschlossen blieb.

Die gesicherte Existenz der Fenster ist von der größten Bedeutung für die immer
noch schwebende Frage der Bedachung. Denn von nun an fällt die Notwendigkeit
Oberlicht anzunehmen völlig fort, und das Dach darf jetzt endgültig als ein geschlossenes
angesehen werden. Von der Eindeckung des Mittelraumes ist bekanntlich gar nichts
erhalten, nur zum inneren wie äußeren Säulenumgang sind Steinkassetten da. Die
Annahme, daß die Mitte in Holz überdeckt war, scheint mir auch jetzt noch die einzig
richtige und mögliche. Es müssen immerhin starke Hölzer oder Bohlenbögen gewesen
sein, denn außer den Marmorziegeln war oben in der Mitte als Bekrönung des Ganzen
noch ein Akanthusknauf aus Marmor zu tragen, von dem Reste erhalten sind. Eine
derartige Eindeckung ganz in Holz kann nichts Unwahrscheinliches mehr haben, wenn
in Athen bei einem viel größeren Rundbau, beim perikleischen Odeion, bei sicher
bedeutend größeren Spannweiten und wahrscheinlich ähnlicher Gipfelbekrönung eben-
falls Holz das ausschließliche'Material der Eindeckung war. Dasselbe war offenbar
auch der Fall bei dem Rundbau des Theodoras, der Skias in Sparta (vergl. unten).

Hier ist freilich gleich ein zweiter wichtiger Punkt in den bisherigen Tholosrekon-
struktionen zu berichtigen. Die Folgerung, die sich aus dem Vorhandensein der Fenster
für die Säulenstellung ergibt, erfordert das. Nämlich: jede Fensterachse muß, wenn mehr
als zwei Fenster vorhanden waren, sowohl außen wie innen auf die Mitte eines Säulen-
intervalls treffen. Dies ist jedoch nur möglich, wenn die Säulenzahl innen und außen
dieselbe ist, oder wenn die Zahlen der beiden Säulenreihen ineinander aufgehen. Nun ist
für den äußeren Säulenkranz der gegenseitige Abstand der Säulen durch das vorhandene
dorische Gebälk gegeben; es waren darnach außen 26 Teile. Um jene Fenster richtig
verteilen zu können, müssen also innen halb soviele Säulen, 13, vorhanden gewesen sein.
Nur dann trifft die Mitte eines inneren Interkolumniums mit der Mitte eines äußeren
Säulenintervalls zusammen. So können demnach 12 oder auch nur 6 Fenster zur Beleuch-
tung des Inneren angebracht werden. (Siehe Abb. 4.) Es ergibt sich also durch diese
Kommensurabilität der inneren und äußeren Säulenreihe ein höchst einfaches, echt antik
klares Verhältnis: dem im Vergleich zum inneren Säulenkrauz doppelten Radius und
Durchmesser des äußeren Kreises entspricht eine doppelte Säulenzahl.

Auch ein anderer Umstand macht es wahrscheinlich, daß die bisherige An-
nahme — und mehr als eine solche ist es nicht — von 14 Säulen im Inneren nicht
richtig sein kann. Es können nur 13 gewesen sein. Aller Wahrscheinlichkeit und
aller Analogie nach muß nämlich sowohl bei der äußeren wie bei der inneren Peristase
das Eingangsinterkolumnium ein wenig weiter gewesen sein als die übrigen Inter-
kolumnien.2 Da nun die Säulen im übrigen nicht mehr näher zusammenrücken können,

1 Baudenkmäler von Olympia, Tafel LXXX. — 2 Dies Prinzip ist beobachtet sogar bei so kleinen
Bauten, wie dem Rundtempelchen auf der athenischen Akropolis. Vergl. unten.
 
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