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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 2.1908/​9

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Thiersch, Hermann: Antike Bauten für Musik, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.19219#0049

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Antike Bauten für Musik. 35

aus ästhetischen Rücksichten, wohl aber etwas weiter auseinander, wird die Zahl der
Säulen im Innern nur 13 gewesen sein. Damit kommt dem Eintretenden gerade gegen-
über eine Säule zu stehen als ausgleichender Kontrast zu dem größeren Eingangs-
interkolumnium.1 Im Innern also 13 Säulen und 13 Interkolumnien, macht im
Stylobat 26 Platten. Trafen nun auf je eine dieser Stylobatplatten in dem sie um-
gebenden Kranz des Pevistasenpflasters je zwei Platten, so ergibt deren Gesamtzahl 52.
Die Zeichnung des Bodenbelags im Grundriß bei Kavvadias. pl. IV, 2, wo die Zahl der
Bodenplatten in Peristase und Stylobat ein und dieselbe ist, wird danach zu berichtigen
sein. Defrasse (bei Lechat im Plan auf S. 103) hat das technisch und ästhetisch Vor-
teilhafte jener Verdoppelung der Platten in der Randzone empfunden, aber von der an-
geblich feststehenden Zahl der 14 Innensäulen irregeleitet 56 Keilsteine eingezeichnet.
Man ist nun sehr versucht, in diesen 52 Bodenplatten die 52 oeXlSss zu sehen, welche
die Inschrift nennt.2 Allein dies ist nicht mehr möglich, seitdem sich durch die de-
lische Inschrift BCH. 1905, 460 ff. die schon von Choisy (Etudes epigr., 147 ff.) aus
der bekannten Erechtheioninschrift erschlossene Deutung als die allein richtige erwiesen
hat. Darnach sind aeXiSs? die Deckenbalken, auf denen die Kassettenblöcke aufliegen,
also die schmalen, zwischen diesen mit ihren Füllungen sich hinziehenden glatten Spatien
(wie der leere Spalt zwischen den zwei Kolumnen einer Seite). 52 solcher Balken haben
bei der Tholos aber nur in der äußeren Peristase Platz. Hier müssen sie zwischen den
einzelnen Doppelkassettenblöcken eingesetzt werden, wie es auch schon Defrasse in seiner
Rekonstruktion getan hat (p. 118); vergl. unsere Rekonstruktion, Abb. 4. Was Tb. Birt
(Die Buchrolle, S. 214 und Rhein. Mus. 1908, 43) von den csXiSs? an der Tholos aus-
sagt3, sind also verfehlte, auf falscher Interpretation der architektonischen Terminologie
beruhende Phantasien. Auf die Scheidung in eine ältere und eine jüngere Bauperiode
der Tholos kann ich hier nicht eingehen. Dörpfelds jüngere Periode (vergl. Dörpfeld-
Reisch, Griech. Theater, S. 129 ff.), die er allein dem Polyklet zuerkennt, würde zusammen-
fallen mit jenem schon fast hellenistischen Geschmack, dessen Abwendung von der alten
Strenge und Hinneigen zu einer mehr leidenschaftlichen Art R. Herold (a. a. 0., S. 579)
am besten erkannt hat. In dieser verschwenderischen Phantasie und ihrer spielenden
Beherrschung der Form sieht er schon die ersten Vorboten des griechischen Barocks.

Eine andere Frage ist die, ob der Dachstuhl innen über der Mitte offen, also
in seinen konstruktiven Teilen sichtbar war oder verschalt, also geschlossen? und wenn,
auf welche Weise, als flache Horizontaldecke, als Kegel oder als Kuppel?

Für eine Verschalung (Abb. 5) spricht ganz entschieden die künstlerisch hohe Voll-
endung, die überall sonst am Bau bemerkbar ist. Da wird gerade im Hauptraum gewiß
alles getan gewesen sein, um das rein Konstruktive der Dachinnenseite zu verdecken, oder
vielmehr künstlerisch zu gestalten. Außerdem aber folgendes: bei der Ausschmückung
des Baues war ein peloponnesischer Meister tätig, als dessen Stärke und Erfindung es
gerade gerühmt wird, zuerst Kassetten bemalt zu haben. Dieser Pausias von Sikyon,
von dem besonders auch «kleine Bildchen» genannt werden, war «ein Meister in kunst-
mäßigen Verkürzungen».4 Die Nachricht bei Plinius. (XXXV, 40), welcher ihn in Ver-

1 Zeile 125, 162 — 119, 134, 137, 139, 142. — 2 Zu atlis vergl. Keil in Ath. Mitt. 1895, S. 10G, 1.

3 Vergl. Kavvadias, To 'Ispöv, p. 50 ff. — 4 Vergl. H. Brunn, Griech. Künstler II, 140 ff. Dagegen
Furtwängler in Fleckeisens Jahrbüchern 1876, 507. Kavvadias tritt bei Eros und Melhe in den Melanges
Nicole, p. 611 ff., für den Charakter als Wandbilder, nicht Tafelbilder ein.

Zeitschrift für Geschichte der Architektur. II. ß
 
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