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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 2.1908/​9

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Thiersch, Hermann: Antike Bauten für Musik, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.19219#0084

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wurde. Das ist von größter Wichtigkeit für Delphi, Athen, Argos und Epidauros, wo
der Sachverhalt genau ebenso liegt, bis jetzt aber nicht erkannt oder geleugnet worden ist.

Die archaische spartanische Musik bestand aus zweierlei: einem Instrumentalsolo
oder -duett und dem Singchor. Der Kitharist oder der Flötenspieler konnten auch
ohne Chor sich produzieren, niemals aber der Chor ohne instrumentale Begleitung. Der
Bau diente also ganz sicher, wie das von den alten musischen Agonen immer schon vermu-
tet wurde (vergl. Wieseler bei Ersch und Gruber, S. 163), für die Vorstellungen des Einzel-
virtüosen mit dem Instrument, höchst wahrscheinlich aber auch für dessen chorische
Begleitung. Die Zahl der Chorsänger wird auch hier, wie beim tragischen Chor, 12—15
nicht überschritten haben. Sie werden im Kreis den Spieler umgeben haben, für den
schon Wieseler ein Podium in der Mitte des Rundes angenommen hatte. Jedenfalls war
das Gebäude, das dem Rat als Sitzungssaal dienen konnte, groß genug dazu, auch war

das Tempo der Chorbewegun-
gen ein so gemessenes — beim
Päan stand man sogar aus-
schließlich —, daß ein größerer
Spielraum im Freien dazu
nicht nötig war, wie bei den
in Korinth ausgebildeten,
sicherlich stets im Freien auf-
geführten dithyrambischen
oder kyklischen Chören, aus
denen dann in Attika die Tra-
gödie mithervorging.

Was die Olympien waren
für die gymnischen Agone,
waren die Pythien für die
musischen (vergl. Reisch, Gr.
Weihgeschenke, S. 52). In
Delphi gab es musische Agone, längst bevor die gymnischen dort eingesetzt wurden.
Ohne weiteres nimmt man gewöhnlich an, daß die musischen Aufführungen dort «von
jeher im Theater» stattgefunden hätten (z. B. Luckenbach, Olympia und Delphi, S- 40).
Das halte ich für einen entschiedenen Irrtum. Denn einmal ist auch in Delphi ein Theater
erst vom 5. Jahrhundert ab denkbar. Das erhaltene steinerne stammt sogar frühestens
erst aus dem 4. Jahrhundert, die musischen Aufführungen aber beginnen in Delphi schon
zü Anfang des 6. Jahrhunderts (Flötenagone seit 586, Kitharistenagone seit 558). Dazu
kommt, daß es bei der sicher aus Sparta, bezw. Kreta erfolgten Übertragung der Musik nach
Delphi (vergl. Westphal a. a. 0., S. 116) äußerst unwahrscheinlich ist, daß mit der Musik
nicht auch die erprobten akustisch räumlichen Erfahrungen mit heraufgewandert seien.
Und wenn nun endlich in Delphi tatsächlich ein Rundbau existiert hat, von dem es jetzt
feststeht, daß er kein Tempel war, und für den noch keinerlei andere Bestimmung
gefunden werden konnte, so scheint es mir ganz evident, daß seine unbekannte Be-
stimmung eben die war, die Stätte der musikalischen Aufführungen zu sein. Und wenn
die erhaltenen Reste, die Homolle in der Revue de l'Art ancienne et moderne X, 361 ff.,
XV, 1 ff. bekannt gemacht hat, auch erst die jüngere Phase dieser delphischen Skias

Abbildung 17 a. Norwegischer Tanzplatz im Freilichtmuseum
zu Ghristiania (nach Photographie).
 
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