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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 2.1908/​9

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Thiersch, Hermann: Antike Bauten für Musik, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.19219#0086

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7-2

Der bei Homolle mitgeteilte Grundriß des Ingenieurs Replat (Abb. 19) ist jeden-
falls unvollständig und ungenau: die korinthischen Halbsäulen des Inneren, die der
Text nennt, sind nicht eingetragen, auch gewinnt man keine klare Vorstellung von dem
Pflaster des Inneren. Hier müßte noch einmal ein erfahrener Architekt mit einer Unter-
suchung ergänzend eintreten. Der Durchmesser des Rundbaues im ganzen scheint 15 m
gewesen zu sein, der des Innenraumes gerade die Hälfte. Noch steht der dreistufige
Stylobat und etwa 10 Trommeln der die Peristase bildenden 20 dorischen Säulen. Die
Kapitelle standen dem Typus des Parthenon nahe. In den Metopen waren Kentauren-
und Amazonenkämpfe dargestellt; am schönsten daran ist der fließende Gewandstil
der Frauenfiguren. Löwenköpfe dienten als Wasserspeier an der Sima, die Dachziegel
waren ebenfalls von weißem Marmor. Eine krönende Figur denkt sich auch Homolle
auf der Spitze des Kegeldaches. Der Schmuck der Kassettendecke in der Peristase be-
stand in einem einfachen Stern, der die in radialem Sinne trapezförmigen Felder füllte.
Mit einer breiten Türe öffnete sich die Cella nach Süden auf die schmale lange Ter-
rasse, die sich hier auch den Nachbargebäuden und den
beiden Athenatempein (Ergane und Pronoia) entlang zog.
Das Innere der Cellawand ist nach Homolle durch korin-
thische Halbsäulen gegliedert gewesen, der Akanthus daran
reicher und weniger streng stilisiert als in Phigalia. In
der Mitte der Cella aber stand ein «Puteal», ein «Rund-
altar» (Abb. 20), welcher in AVirklichkeit seine Thymele
war; abgebildet, aber verkannt von Homolle a. a. 0. XV,
p. 17 ff. Die ganze zylindrische Wandung ist von Mar-
mor; nur ein Viertel etwa, anscheinend aus der Rückseite,
ist erhalten. Oben darauf muß eine Holzeindeckung ein-

,,,,, in r, , .„ , gelassen gewesen sein. Das Fehlen eines kräftigen, dem

Abbildung 19. Grundriß der s & & '

jüngeren Tholos von Delphi Sockel entsprechenden oberen Abschlußgesimses läßt das
(nach Replat). fast mit Sicherheit vermuten. Die Stelle, auf der diese

Thymele stand, die Mitte des Cellabodens, scheint noch
nie näher untersucht worden zu sein. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, daß auch hier
einst irgendwie eine künstliche Höhlung angeordnet war wie in Epidauros und, wie gleich
anzuführen sein wird, im Asklepieion zu Athen. Auch die eigentümlich achteckig ge-
schnittene Plinthe der delphischen Marmorthymele legt es nahe, sie über einer Höhlung
aufsitzend zu denken. Die Plinthe ist nämlich deutlich auf einen ringsum anschließen-
den Fußbodenbelag von gleicher Dicke berechnet (der Wulst mit dem lesbischen Kyma
greift darauf über). Dann war natürlich innen die Mitte des Cellabodens hohl, genau
wie in Epidauros! Der Sockel der delphischen Thymele ist genau so gegliedert wie
der der Cellawand selbst: mit abwärtsgekehrtem lesbischem Kyma und Flechtband-
wulst, Die aufgehende Wandung zeigt in köstlichem Relief Mädchen paarweise be-
schäftigt, Tänien, heilige, festliche Bänder in eine schwere Lorbeergirlande zu flechten,
die sich oben rings um das Rund der Thymele herumschlingt. Aus einem für diese
Stelle offenbar typischen, kurzlebigen, aber stets erneuerten natürlichen Schmuck ist
hier ein perennierend monumentaler geworden. Also zugleich ein monumentaler Beleg
für die auch sonst naheliegende Schmückung der Thymelai mit Grün zu den musi-
kalischen Festen und für die assistierende Mitwirkung der Mädchenchöre bei solchen
 
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