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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 2.1908/​9

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Thiersch, Hermann: Antike Bauten für Musik, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.19219#0092

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78 H. Thiersch-Freiburg i. Br.

Wir haben aber noch ein Mittel, das verlorene Odeion des Perikles näher kennen
zu lernen: ein Monument, das nichts anderes ist als ein Echo von ihm, nur inkognito
als solches unter uns noch weilend. Das ist das Lysikrates-Denkmal in Athen.
Dieses ist nämlich in seinem Haupt- und Oberteil (Abb. 22) nur verständlich, wenn dieser
die dekorative und zwar sehr geschickte Umwertung eines großen, monumentalen
Rundbaues zum schlanken Postament und Anathemträger darstellt. Jener Rundbau ist
nun aber nicht irgendein beliebiger «Rundtempel», sondern da das Anathem der Preis
eines in Athen gefeierten musischen Agones ist, kann er kaum etwas anderes gewesen
sein als eben jenes Gebäude, in dem auch der Sieg davongetragen wurde, das ist in
diesem Falle eben das perikleische Odeion.

Dadurch sichert das Denkmal, das den Sieg des Liedes vom Jahre 335 feiert, zu-
gleich auch die Tatsache, daß die eigentlich musikalischen Agone zu Athen in der zweiten

Hälfte des 4. Jahrhunderts
wirklich noch im Odeion,
noch nicht im Theater statt-
fanden. Dies ist eine will-
kommene Bestätigung für die
auch sonst gemachte Beob-
achtung, wonach die Ver-
legung der musikalischen
Aufführungen ins Theater
in Griechenland erst ganz
zu Ende des 4. Jahrhunderts
erfolgt ist.

Das Monument des Ly-

sikrates ist natürlich nur ein
Abbildung 23. Querschnitt durch das Dach des Lysikrates-Monumentes k aber gehr eleganter

zu Athen (nach Stuart und Revett). , , n , i

Auszug aus dem bedeutend

breiter und massiger angelegten Vorbild. Was man aber für dieses aus dem Exzerpt scbließen
darf, ist folgendes: Das Odeion des Perikles hatte nicht nur innen, sondern auch außen
herum einen Kranz von Säulen auf dem üblichen Stufenunterbau. Seine Wand ging
geschlossen hoch, erst ziemlich weit oben ließ eine ringsumlaufende Reihe von Öffnun-
gen Licht ein. Bei dem choragischen Monument sind Dreifüße auf der nun verständlich
werdenden Fensterbank dekorativ verteilt. Eine solch hochaufgehende geschlossene
Wand erklärt sich aus der Notwendigkeit, den theaterförmig ansteigenden Sitzreihen
im Innern einen festen Rückhalt zu geben. Die Verhältnisse lagen also ganz ähnlich
wie bei unsern Zirkusbauten. Die Fensterwand muß ferner oben über das Dach der
Peristase etwas herausgetreten sein, wodurch außen eine kleine Abstufung im Dach erzielt
wurde, indem das Pultdach über der Peristase sich wie ein tiefer liegender Kragen um
das höher herausgehobene Kegeldach der Mitte herum legte. Nur wenn etwas Der-
artiges der Fall war, versteht man eigentlich in der Reduktion am Lysikrates-Denkmal
die eigentümliche Anordnung eines zweiten Stirnziegelkranzes dicht über dem ersten

des Bauwerks findet sich, soviel ich weiß, bis jetzt nur bei Ganina, Archit. greca, tav. 130. Aber das Kegel-
dach ist da viel zu steil, die Fenster gehören statt in den unteren Dachrand in die obere Wandzone, das
Musikpodium in die Mitte, nicht an eine Seite, und die Sitzreihen noch weiter an der Wand heraufreichend.
 
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