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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 2.1908/​9

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Thiersch, Hermann: Antike Bauten für Musik, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.19219#0102

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88

Neues und Bemerkenswertes, Tonziegel für die ungewöhnliche Daehform herzustellen.
Nur die unterste Ziegelreihe war ja aus Marmor. Die Zweizahl der Fenster und die
Höhe ihrer Anbringung bei Adler beruht rein auf Vermutung, nach Analogie des be-
kannten Tempels in Tivoli.

Ein anderer bekannter, etwas größerer Rundbau (Dm. 17,5 m) hängt wahrschein-
lich mit dem perikleischen Odeion zusammen: das Arsinoeion auf Samothrake, das
Gebäude, in welchem, wie ich vermute, die wilden orgiastischen Tänze und Mysterien zu
Ehren der Kybele aufgeführt wurden. Es waren Frauenreigen (vergl. die Reliefs [Abb. 24J
bei Benndorf-Niemann, Samothrake II, Tafel IX), deren Kreis sich vielleicht zuerst an eben
jener schönen Stelle hoch oben zwischen den beiden Wasserläufen (a. a. 0., Tafel I) im Freien
gebildet hatte, ähnlich wie die Tänze heute noch in Griechenland beim Frühjahrsanfang
oder bei einer Panegyris sich abspielen. Eine Frau, Arsinoe, hat diesen Tanzboden ihren
Schwestern dann zu Ehren der «großen Mutter» monumental ausgestaltet.

Die Niemannsche Rekonstruktion (I, Tafel LV), die uns immer vorschwebt, wird
indessen an einigen Punkten zu berichtigen sein, vor allem in der Dachform. Zunächst
fällt das Oberlicht (Abb. 25) im Dache gänzlich fort, da man sicher annehmen darf, daß

die Felder zwischen den
Pilastern im Oberteil der
Wand nicht alle geschlos-
sen waren, wie Niemann
sie zeichnet, obwohl er selbst
zugibt, daß einige von ihnen
offen gewesen sein können.
Wäre dies nicht der Fall
gewesen, so würde das
ganze Pilastermotiv seiner
eigentlichen Begründung
tatsächlich entbehren. Wir

dürfen also das Dach als
Abbildung 24. Reisentanz zu Ehren der Kybele aul Samothrake. .

Friesrelief (nach Conze-Benndorf). . geschlossen, einen Ted der

Wandfelder dagegen als

offen annehmen; am besten macht sich ein regelmäßiger Wechsel von je drei offenen und
einem geschlossenen Interkolumnium.1 Wahrscheinlich waren ferner die drei Zonen, in
welche der zylindrische Mantel der Umfassungswand der Höhe nach abgeteilt ist, wie
beim Pantheon (Außenseite) untereinander etwa gleichhoch, was ein ruhigeres, breiteres
Gesamtverhältnis zur Folge hat.

Der Fortfall des Oberlichtes vereinfacht die Konstruktion des hölzernen Dachstuhles
nicht unwesentlich. Mit Niemann (Abb. 25) ein verschalendes flaches Gewölbe innen unter
dem Dachstuhl einzusetzen, ist gerade noch möglich. Die Einarbeitungen (vergl. Abb. 2G
nach a. a. 0., Tafel LVIII, Fig. 3 u. 4), welche Niemann benützte, um seine Flachkuppel
darin einsetzen zu lassen, stammen wahrscheinlich von dem untersten Balkenkranz her, der,
ein Polygon, horizontal aufliegend, den Fuß des kegelförmigen Dachstuhles bildete. Ein
offener Dachstuhl wäre mit der Einteilung der Fenster weniger gut in Einklang zu bringen.

1 Wie mir Herr Prof. Niemann selbst mitteilt, hält er seine frühere Rekonstruktion punkto Beleuchtung
nicht mehr aufrecht.
 
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