Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 2.1908/​9

DOI Artikel:
[Literatur]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.19219#0112

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Literatur.

Bauwerk baufällig geworden und so wurde es von
Nikolaus III. (1277—1280) «a sole terrae» in etwas
bescheideneren Abmessungen neu ausgebaut. In
dieser Gestalt hat dann die Kapelle in seltener
Unberiibrtheit die Jahrhunderte überdauert.

Sie bildet einen annähernd quadratischen Raum,
an dessen Ostseite sich der niedrigere Altarraum
in gleicher Breite anfügt. Die Wände werden
von vergoldeten Marmorsäulen eingefaßt, die das
kreuzförmige Gewölbe tragen. In ihrem Ober-
teile befindet sich je ein schmales Spitzbogen-
fenster, darunter, nach oben mit der Kämpfer-
höhe der Ecksäulen abschließend, eine Galerie
von 4 mal 7 Blendarkaden, in welchen eine feier-
liche Reihe von Heiligen gemalt ist. Der untere
Teil der Wand, der ganz mit Marmorplatten be-
legt ist, wird auf der Südseite durch die Türe,
auf der Westseite durch drei kleine Fenster unter-
brochen. Auf der Ostscite ruht die Arkadenreihe
auf einem starken Arcbitrav, der von zwei an-
tiken Porphyrsäulen gestützt wird. Zwischen
diesen steht der Altar, der heute noch hinter den
bronzenen Türen den Reliquienschrein Leos III.
birgt. Über dem Altarraum befinden sich zwei
Gelasse für Reliquien, die äußerlich durch kleine,
mit vergoldeten Gittern geschlossene Fensterchen
in der Arkadenreihe erkennbar sind. Die Fenster
sind im Laufe der Zeit zum Teil verbaut worden,
so daß die Beleuchtung heute recht spärlich ist.

Die Frage nach dem künstlerischen Urheber
bekommt durch eine Inschrifttafel, nahe dem Ein-
gang, eine sichere Basis. Dort ist zu lesen: «Ma-
gister Cosmatus fecit hoc opus». Grisar vermutet
in ihm den jüngeren Cosmas, den Sohn des Pe-
trus Mellini, im Gegensatz zum älteren, dem Sohn
des Jacobus, von dem in Anagni und Subiaco
inschriftlich beglaubigte Werke zu finden sind.
Die Zusätze späterer Zeit beschränkten sich auf
die notwendigen Reparaturen, Übermalungen und
die Anlage eines neuen Daches. So können wir
das Werk des Cosmas in seiner ursprünglichen
Fassung auf uns wirken lassen.

Es ist verständlich, daß Grisar das Haupt-
gewicht auf sein Thema, den Reliquienschatz,
verlegt und die Geschichte und besonders die
architektonische Bedeutung der Kapelle mehr
nebensächlich behandelt. Er geht von der Kirchen-
geschichte, nicht vom Standpunkt der Kunstent-
wicklung aus. Darum können wir in seinen Dar-

legungen noch keine abschließende Würdigung
der kunstgeschichtlichen und ästhetischen Be-
deutung dieses seltenen Bauwerkes sehen. Aber
wir haben ihm zu danken, daß er den Anlaß der
Hebung des Reliquienschatzes dazu benützt hat,
um auch für die Kapelle einige neue Daten bei-
zusteuern und die Aufmerksamkeit weiterer Kreise
auf dieses Bauwerk zu lenken. Dr. R. Bernoulli.

Badische Hochbauverwaltung, ein Hand-
buch für Beamte, Architekten und Gewerbetrei-
bende, von Ferd. Antoni, Ministerialrat in Karls-
ruhe. XI und 671 S. G. Braunsche Hofbuch-
druckerei und Verlag. Karlsruhe 1909. Preis
geb. 9.50 Mk.

Das von berufener Seite an Hand amtlichen
Materials bearbeitete Handbuch berührt nur in
den einleitenden Kapiteln unser Arbeitsgebiet. Auf
den 50 ersten Seiten ist eine Geschichte der
badischen Hochbauverwaltung gegeben, die inter-
essante Einblicke in eine hundertjährige künst-
lerische und organisatorische Entwicklung ge-
währt. Die kritische Stellungnahme zu der wan-
delbaren Bewertung der obersten Baubeamten
von Weinbrenner bis Durm ist mit vornehmer
Sachlichkeit durchgeführt und entbehrt, soweit
die neueste Zeit in Betracht kommt, nicht eines
gewissen pikanten Reizes. Auch dem zweiten
Teile über das Verdingungswesen ist eine sehr
beachtenswerte historische Einleitung vorangestellt
über die Entwicklung des badischen Submissions-
wesens im 19. Jahrhundert.

Aus der mit wertvollen Kommentaren versehe-
nen neuen Hochbaudienstweisung interessiert hier
das aus 4 Paragraphen bestehende Kapitel «Erhal-
tung alter Baudenkmäler». Die Zweckmäßigkeit
dieser Organisation hängt von der Lösung der Per-
sonenfrage ab. Mit Bezug auf eine andere Materie
steht auf Seite 400 zu lesen: «Das beste Mittel
gegen diese Auswüchse sind nicht mechanisch
wirkende Regeln, sondern sachverständige, ernst-
lich denkende Beamte . . .» Dieser Modernismus
in der Auffassung des komplizierten Beamten-
apparates und gleichermaßen das warme soziale
Empfinden, mit welchem der Ausgleich der In-
teressen des gewerblichen Mittelstandes und der
Steuerzahler zum Leitmotiv der neuen Organisation
erhoben wird, gereichen dem Verfasser wie dem
Ministerium und dem Lande, dem er dient, zur
Ehre. H.
 
Annotationen