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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 2.1908/​9

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Haupt, Richard: Vom Dome zu Ripen
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https://doi.org/10.11588/diglit.19219#0130

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haben von den Ergebnissen Vorteil zu ziehen;
denn auch hier gibt es einige ähnliche, wenn
auch unbedeutendere Aufgaben zu lösen, und
auch hier ist jenes Vorurteil zu bestreiten.

Der erforderliche Sandstein war im 19. Jahr-
hundert ebensowohl von Obernkirchen im Weser-
lande zu erhalten, wie es im zwölften1 der Fall
gewesen war. Der Granit war in schönster Güte
und Gleichmäßigkeit in den Brüchen auf Born-
holm zu gewinnen; soweit man aber statt gleich-
artiger Steine vielmehr nach solchen verlangte, die
in Korn, Ton und Farbe recht mannigfaltig
wären, benutzte man Findlinge; die Blöcke wur-
den aus dem großen Belt «gefischt». Die Erschei-
nung gerade der aus dem mannigfaltigen Stoffe
gebildeten Flächen ist in der Tat von ganz über-
raschender Kraft und Schönheit, und läßt uns
die Richtigkeit eines Wortes von Helms erkennen,
nach dem die Hunderte von Kirchen aus solchem
Haustein frisch vollendet einen zauberischen Ein-
druck gemacht haben müssen. Heute sind diese
Bauwerke altersgrau, oder überzogen mit weißer
Kalkkruste.

Der den größten Anteil an der geistigen Vor-
arbeit hatte, war Jakob Helms selbst. Er hatte als
junger Mann, als Gymnasiallehrer zu Ripen, in
dem Dome den Gegenstand seiner Liebe gefunden
und über den Gegenstand eingehend gehan-
delt. In einer besonderen Schrift verfocht er
nun die Grundsätze der rücksichtsvollsten Scho-
nung bei der Herstellung. Ihm trat gegen 1880
Worsaae bei, und die Entscheidung gebend stellte
sich der Minister Scavenius auf diese Seite. All-
mählich vollzog sich auch im allgemeinen ein
Umschwung der Ansichten zugunsten des scho-
nenden Prinzips, und als von den Architekten,
die das gründliche Eingreifen erstrebten und ver-
fochten hatten, sich einer nach dem arideren
zurückzog, ward 1881 die Aufgabe von Amberg
übernommen. Zuerst ward nun der große Turm
in Ordnung gebracht. Wer ihn betrachtet, muß
zugeben, daß sich an ihm die Idee der Rück-
bildung nur mit größter Zurückhaltung und Vor-

1 Grauer Sandstein ist vielfach, und besonders
zu den Pfeilern, gebraucht. Es findet sich auch
roter, rheinischer, und ich kann hier die Bemerkung
nicht unterdrücken, daß der Sandstein überhaupt,
auch der graue und gelbe, rheinisches Ursprungs
sein könnte.

sieht geltend gemacht hat. Die wirklichen, un-
leugbaren Unschönheiten dieses Raues werden in
der Tat nur eben dadurch gedeckt, daß er «nun
einmal so ist». Erst 1895 ist darauf die Instand-
setzung des Domes selbst begonnen worden.

Hier begegnete man, bei Beibehaltung der
Gewölbe und der äußeren Seitenschiffe, beson-
deren Schwierigkeiten in der Gefährdung des
Baues durch den Schub jener überaus schweren
schwebenden Lasten und durch den üblen Stand
der Außenwände. .Diese, aus spätmittelalterlicher
Zeit, hatten überhaupt so gut wie keine Grün-
dung, während der Baumeister des Kernbaus in
dieser Hinsicht nichts versäumt hatte. Es waren
Unterfangungsarbeiten nötig, um so ausgedehnter,
da das Ganze, das überall anderthalb Meter lief
und mehr eingeschüttet war, gewissermaßen aus
der Tiefe herausgehoben werden mußte. In
bezug auf die Gewölbe wollte man sich nicht
zu sichtbaren Verankerungen entschließen. Es
ist freilich zweifelhaft, ob der Widerstand gegen
die Ankerbalken berechtigt ist. Viele der nor-
dischen Gebäude wären ohne solche überhaupt
unmöglich und zeigen sie ungescheut, ohne daß
sich jemand dai'an stoßen dürfte. Wenn man
sie aber ablehnte, dann blieb freilich nichts übrig,
als daß durch zwei gewallige Strebsysteme in
das Ganze Halt gebracht ward. Das ist ein Aus-
weg, der, wie die Zeichnungen ergeben und wie
sich auch, bei der Durchwandlung des Baues
empfindlich genug bemerkbar macht, eine Be-
einträchtigung der Raumwirkungen mit sich bringt.
Die Meinung hat also etwas für sich, es sei hier
einem Phantom nichts geringeres als die Haupt-
sache geopfert.

Der Leser des Buches macht die angenehme
Bemerkung, daß sich der Verfasser bemüht hat,
ihn über nichts im unklaren zu lassen, was zu
erfahren für ihn Wichtigkeit haben könnte. Doch
kann davon hier nur wenig noch erzählt werden.
Es wird nicht verschwiegen, daß und weshalb
zur Wiederherstellung einiger Wulste an den
großen Gurten Rabitzwerk genommen, ferner daß
am Westportal zur Schonung des Erhaltenen,
und um nur halb zerstörte Steine nicht auswechseln
zu müssen, eine Gußmasse aus Zement und
Granitgrus angewandt ist (mit gutem Erfolg, wie
man sich überzeugen kann). Zur Verbindung des
neuen Mauerwerks mit dem alten, wobei große
 
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