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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 2.1908/​9

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Haupt, Richard: Vom Dome zu Ripen
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https://doi.org/10.11588/diglit.19219#0136

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122 Richard Haupt (Preetz).

hatte, mit Ausnahme der Grundlagen und kleinerer
Teile des Mauerwerkes, wobei man — merk-
würdiger- oder seltsamerweise — nur gerade jene
Brandspuren — in Ruhe gelassen haben soll! So
sei denn dieser Dom tatsächlich nach 117G neu
aufgebaut und seinem ganzen Wesen nach sei er
nicht älter. Helms wirft damit das von ihm mit
unsäglichem Fleiß aufgerichtete Gebäude seiner
früheren Schlüsse gänzlich um; es ist ihm eine
Art Genugtuung, davon loszukommen. Und so-
fort wird ihm weiterhin klar, daß der Erbauer
des Domes kein anderer als Bischof Homerus ist,
der von 1178 bis 1204 wirkte.

Homerus nun ist allerdings ein Kirchenbauer
gewesen. Wir haben von ihm einen Brief, aus
dem wir seine Fürsorge für einen rechL bedeu-
tenden, kirchlich wie kunstgeschichtlich hervor-
ragenden, zu seiner und der Nachfolger Grab-'
stätte bestimmten Kirchenbau erkennen. Es
handelte sich für ihn um die Kirche der soeben
in Lügum eingezogenen Zisterzienser. Sofort
war, wie gewöhnlich, eine hölzerne Interims-
kirche zu errichten: sobald als möglich aber
sollte diese durch die aus Stein (Ziegeln) zu er-
bauende Abteikirche abgelöst werden. Danach
ist verfahren, und in diesem Münster ist Homerus
1204 begraben. Es ist ein edler Bau von schönen,
von Grund auf neuen Formen, aus Ziegeln erbaut.

Nun ist es zwar an sich nicht widersinnig,
anzunehmen, daß derselbe, unter dessen Einflüsse
die Zisterzienser aus dem bereits seit ein paar
Jahrzehnten im Lande mehrfach in Gebrauch
gebrachten Stoffe des Backsteins und in einem
entschieden aus Frankreich herübergenommenen1
Übergangsstil ihren Bau zu führen hatten, zu
gleicher Zeit für seinen eigenen, mit ungeheuren
Aufwendungen ganz neu zu errichtenden Dom
die verschiedensten Baustoffe aus aller Welt, vom
Rheine und der Weser holen und beschaffen
ließ, genau der gleichen Art, wie sie einst Thure
sich verschafft hatte. Es mag auch nicht ganz
widersinnig sein, anzunehmen, daß er sich über-
haupt in Anlage und Stil aufs strengste, etwa

1 Mit Frankreich waren im 12. Jahrhundert leb-
hafte Beziehungen; die bedeutendsten der Kirchen-
fürsten und viele andere hielten sich lange Zeit dort
auf, den Studien oder kirchlichen Bestrebungen sich
widmend, und eine neue Entwicklung und Richtung
der Kunst in Dänemark zeigt die Wirkung davon
auf dem künstlerischen Gebiete.

so wie es 1862 zu Wiborg Nebelong oder 1895
Amberg zu Ripen getan hat, daß er wie ein
Haase oder Zwirner sich an den Plan und die
Pläne des vor zwei Menschenaltern tätig ge-
wesenen ersten Erbauers gehalten und dafür so-
gar bereits erloschene Techniken neu erweckt
hätte. Und das muß alles mit der glänzenden
Wirkung geschehen sein, daß er die Archäologen
selbst täuschte, daß ein Forscher wie Hehns
nichts derart bemerken konnte, ehe tief unter
den Grundlagen des zu gänzlich ungewisser, aber
sicher nicht sehr früher Zeit1 errichteten Altars
die Brandspuren «von 1176» gefunden waren.
Mag das alles nun nicht durchaus unglaublich,
mag es vielleicht gar als ein neues und dann
unbedingt bewunderungswürdiges Beispiel des-
jenigen archaischen Zuges in der dänischen Kunst
interessant sein, dessen Spuren wir vielfach an-
erkennen müssen — wahrscheinlich und an-
nehmbar ist es darum doch nicht. Und fragen
wir, worauf denn das Gebäude der neuen gänz-
lich überraschenden Aufstellung beruht, welche
ja für 1176 einen vernichtenden Brand braucht,
so ist das lediglich die gelegentliche, wenig klare
Andeutung der älteren Biscbofschronik, nach der
der Bischof in der Durchführung gewisser,
das Leben der Domherren betreffender Anord-
nungen dadurch behindert war oder darauf Rück-
sicht zu nehmen hatte, daß durch eine «doppelte»
Feuersbrunst der Dom und das Kloster der Dom-
herren verwüstet waren. Erst ein Zusatz vom Ende
des 16. Jahrhunderts führt diese Angabe dahin
aus, daß, als am 1. Oktober 1176 die Stadt
größtenteils abbrannte, die Frauenkirche (der
Dom) mit dem ganzen Schatze und den Kleino-
dien das gleiche Schicksal gehabt habe. Es ist
das eine Angabe, über deren Zuverlässigkeit
Helms selbst Zweifel zu äußern nicht umbin kann.

Nachher ist der Dom wieder, nach mindestens
ebenso glaubwürdiger Beurkundung, mit einem
großen Teile der Stadt 1242 und schließlich,
noch unbedingt feststehender, 1402 «verbrannt».

Betreffs des letzten Brandes begegnen wir aber
erfreulicherweise in dem päpstlichen Indulgenz-
briefe einer genaueren Fassung, die sehr lehr-
reich ist, weil wir daraus wieder einmal sehen,

1 Er war aus Ziegeln und nicht aus einem der
sonst angewandten edleren Baustoffe, Terp. Bipae
Cimbr. 235.
 
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