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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 2.1908/​9

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Stierling, H.: Eine phallische Darstellung am Südwestportal der Lorenzkirche in Nürnberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.19219#0181

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überspringenden Daches so sehr verdeckt, daß sie nur mit einem scharfen Glase zu
erkennen sind: In der Hohlkehle des obersten Gesimses sieht man (von links nach
rechts) über dem Kaiserpaar vier westwärts fliegende Schwalben, etwas unter ihnen eine
Fledermaus mit ausgebreiteten Flügeln; über dem heiligen Stephan einen Laubfries;
über dem ersten Fenster ein großes eidechsenartiges Reptil, das mit offenem Rachen
züngelnd auf zwei Frösche losgeht, die über dem zweiten Fenster angebracht sind; über
der phallischen Gestalt sechs Schnecken; und über dem heiligen Sebald einen liegenden
gehörnten Teufel, der zwar
am Hals gefesselt ist, aber
immer noch Gelegenheit zu
einer obszönen Geste gefun-
den hat.

Alle diese kleinen Ge-
stalten sind dem Auge so gut
wie entzogen, und erst eine
Zeichnung des Lorenzer Bau-
bureaus, die mir Josef Schmitz
freundlichst zeigte, entzog sie

ihrem jahrhundertelangen
Dunkel. Deutlich sichtbar da-
gegen sind die Figuren der
fünf Schutzheiligen und der
ihnen beigegebenen Tiere: Ne-
ben Kunigunde und Heinrich
bemerkt man links ein Eich-
hörnchen, rechts (zwar schon
im nächsten Feld, aber dem
Kaiserpaar zugewandt) einen
Affen auf einem Baum; der
heilige Stephan (?) erscheint
ohne Begleitung, charakteri-
siert durch drei Steine, seine

Linke hält ein geschlossenes Abbildung
Buch; der phallischen Gestalt Phallische Darstellung vom westlichen Portal der Südseite,

ist links ein Bock beigegeben,

der aufrecht stehend an einem Baume frißt, zugleich mit einem Vogel; endlich St. Sebald
mit Kirche und Wanderstab, begleitet von einem Engel mit offenem Buch.

Unklar ist mir der Charakter einer andern männlichen Figur geblieben, die an
der Westkante dieses risalitartigen LTberbaus in sitzender Haltung zu sehen ist. Auch
über die beiden großen Reliefgestalten unter dem Kaiserpaar und St. Sebald kann ich
keine Auskunft geben; nur soviel scheint ohne weiteres klar, daß der (trinkende) Bauers-
mann und der mit Schwert und Lanze bewehrte Ritter gegensätzlich gemeint sind,
etwa als Vertreter zweier Stände.

Wie steht es aber um die zahlreichen Tiere? Spricht sich in ihnen eine innere
Beziehung zum Portal aus oder entsprangen sie nur einer fröhlichen Erfinderlaune ihres
 
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