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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 2.1908/​9

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Dammann, Walter Heinrich: Der Ursprung des Haubenturmes
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https://doi.org/10.11588/diglit.19219#0198

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vorliegende Keirainöglichkeit selbständig zu umfangreichen Leistungen ausgebildet wurde,
ob und wann Wechselwirkungen eintraten, das ist, wie sich ergeben wird, eine Frage
für sich und für die deutsche Baugeschichte von geringerer Bedeutung.

Immerhin lassen sich als Beispiele italienischer Türme, die auf der Laternenaus-
gestaltung beruhen, einstweilen anführen:
Turmentwürfe für St. Peter in Rom,

solche, die früher Raphael zugeschrieben wurden, wahrscheinlich von Periu
del Vaga;

solche von Antonio da Sangallo Giov.1
Turmentwürfe für S. Lorenzo in Florenz, von Giuliano da Sangallo.
Türme in Rom:

Sta. Trinitä di monti, 1570, Domenico Fontana.

S. Carlo alle quattro fontane,

St. Ivo.

St. Agnese.
In Modena:

S. Giovanni Evangelista, 1614, als Vorbild für:
S. Giacomo Apostolo.
S. Rocco.
S.. Selpolcro.

Ferner: Pal. del Governo.

In Venedig:

St. Maria della Salute.

Meist sind diese Türme auch zu einer welschen Haube ausgebildet. — Die aller-
einfachste Grundform eines hutförmigen Haubenzeltes trägt als oberen Abschluß der
mittelalterliche Turm von Sassari im nordwestlichen Sardinien.2 Ein hervorragend schön
entwickelter Renaissanceturm ziert die Chiesa della Sta. Casa in Loreto.3

Daß italienische Türme bis auf den heutigen Tag vielfach noch in unverkenn-
barem Anschluß a^L den Laternengedanken gebaut werden, weiß jeder Rivierareisende:
Coldirodi, San Remo, Bussana Vecchia, Nervi, und aus neuester Zeit: Bussana Nuova,
können als beliebige Beispiele dafür angeführt werden. —

Soviel sich erkennen läßt, fand die früheste Entfaltung des neuen Turmgedankens
und gleichzeitig seine entschiedene Vereinigung mit dem Holzkupfersystem auf deutschem
Boden in Schlesien statt. Gerade für dies wichtige Gebiet geben die Werke von Hans
Lutsch, das schlesische Inventar und der Bilderatlas samt seinem Wegweiser, reiches
Material zur Bearbeitung der vorliegenden Frage an die Hand.4 Schon eine bloße Zu-
sammenstellung der dort enthaltenen Angaben läßt Ursprung und Zusammenhang des
schlesischen Turmbauwesens deutlich erkennen.

Das Rathaus in Neiße erhielt schon vor 1500 seinen bereits erwähnten Turm, der
als die entwickelte Form eines gotischen Holzkupferhelmes von kleinen Abmessungen
aufzufassen ist. Noch im Jahre 1565 erbaute Andreas Stellauf den Breslauer Ratsturm
in Formen, die einzeln auch die Gotik schon hätte anwenden können, jedoch in reicher

1 H. v. Geymüller, Die ursprünglichen Entwürfe für St. Peter, Paris und Wien 1875, und Baffaelo
Sanzio, studiato come architetto etc. Milano 1884. — 2 L'Arte 1905. — 3 Laspeyres, No. 155.
' Hans Lutsch, Verzeichnis der Kunstdenkmäler der Provinz Schlesien. Breslau 1886.
 
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