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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 2.1908/​9

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Dammann, Walter Heinrich: Der Ursprung des Haubenturmes
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https://doi.org/10.11588/diglit.19219#0206

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192 Walter H. Dammann.

Rostock, Nikolaiturm, 1704?
Wolgast, Kirchturm, 1713—1727.

Auch die Banziger Turmbildungen muß man dem holländischen Baueinflusse zu-
sprechen: vor allem die Zeughaustürme, dann den Firstreiter des englischen Hauses,
und als recht charakteristische Leistung: den Ratsturm (Abbildung 10). Auch den
ehemaligen Aufsatz des Katharinenturmes muß man dazu rechnen. Seine erstaunliche

Übereinstimmung mit dem Hauptturm des Veitsdomes
zu Prag kann hier nur erwähnt werden.1

Jene in Schlesien begründete Gruppe scheint sich
nur elbabwärts weiter ausgebreitet zu haben. Aber
schon gleich in Sachsen traf sie mit anderem Geschmack
zusammen. Türme wie die von Altenburg, Straßberg,
Kürbitz, Kauschwitz, Glösa, Werdau, Ebersdorf usw.
sind schon mit den stattlichen Kunstwerken Schlesiens
nicht mehr zu vergleichen. Immerhin scheint es mir
nicht Zufall zu sein, daß einer der größten Turmkünstler
des 17. Jahrhunderts, Peter Marquai'd, aus Sachsen, also
einigermaßen aus der Nachbarschaft der schlesischen
Muster stammte. Von seinen Werken sind, soviel sich
erkennen läßt, nur noch der Hamburger Katharinenturm
und der diesem genau nachgebildete Zwickauer Marien-
turm vorhanden. Der Katharinenturin ist ohne Zweifel
seine formedelste Schöpfung. Seine beiden anderen Ham-
burger pTürme, der etwas willkürliche von Nikolai und
der etwas ärmliche von Michaelis, verraten den Einfluß
der Turmgeneration rein holländischen Ursprungs, die
er in Hamburg vorfand.2 Hier vollzog sich in einer
bedeutenden Künstlerpersönlichkeit die Mischung jener
beiden Hauptströme als ein in seinen Folgen erkenn-
barer Vorgang. In diesem Falle also ermöglicht sich
der Spezialuntersuchung eine eindringliche geschichtliche
Abbildung 10. Rathaus in Danzig. und psychologische Beobachtung der Formengenesis:

eine Einsicht, die gegenwärtig nur in seltenen Aus-
nahmefällen erreicht werden kann, die aber bei fortschreitender Forschung für den Ein-
flußbereich einer jeden baukünstlerischen Wertleistung gewonnen werden muß.

1 Über den Veitsdom in Prag vergl: Senff, Die Domkirche zu St. Veit in Prag, Berlin 1831. Glück-
selig, Der Prager Dom zu St. Veit, Prag 1855. Ambras, Der Dom zu Prag, Prag 1858. Aufsätze in den
Mitteilungen der k. k. Zentral-Kommission und von C. Gurlitt und M. Hasak, in der Zeitschrift für Bau-
wesen, XLII und XLIII.

2 Über Marquardt und die Hamburger Türme vergl.: Dr. Walter H. Dammann, Die St. Michaeliskirche
zu Hamburg, Leipzig 1909, S. 15 u. 206.

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