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Burger, ...: Neue Rekonstruktionsentwürfe des Tempels in Präneste aus der Renaissance
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.19219#0217
II. Jahrgang. Heft 9. Juni 1909.
Neue Rekonstruktionsentwürfe des Tempels in
Präneste aus der Renaissance.
Von Privatdozent Dr. Burger-München.
Seit den Tagen, da Brunellesco, der Begründer der klassischen Renaissancebau-
kunst, nach Rom gepilgert war, um sich durch das Studium der antiken Bauten die
ersehnte, von allem Gotischen, dem Fremden, geläuterte nationale Sprache auf bau-
künstlerischem Gebiete zu erringen, ist die Antike die Lehrmeisterin der mächtig auf-
strebenden jugendlichen Renaissancekunst geworden. Aber sie war hier doch nur der
feste Stamm, an dem sich das junge Geschlecht emporrankte, um desto rascher die
eigenen Früchte zur Reife zu bringen. Die immense Fülle künstlerischer Gestaltungs-
kraft und der erstaunlich feine Instinkt für die innersten Gesetze der Natur haben die
Baukunst vor den Gefahren des Akademismus bewahrt, dem man anderwärts nur allzu
rasch erlegen ist. In Florenz war die Gotik nie recht heimisch geworden und deshalb
fand hier der Strom des neuen künstlerischen Lebens in ihr keinen ernstlichen Wider-
stand. Anderwärts hatte der aus der Gotik sich entwickelnde bauliche Eklektizismus
stärker Fuß gefaßt, war das Gefühl für die baukünstlerische Formenwelt nicht als ein
seltenes Geschenk der Natur von Anfang an der jungen Generation mit in die Wiege
gelegt worden. So war es in Venedig, wie allgemein in Oberitalieu: aus dem krausen
Formenwirrsal der halb gotischen, halb byzantinischen Architekturen fand man nicht
leicht den Weg zur «edlen Einfalt und stillen Größe» der Antike. l)ie Antike war hier
in der Baukunst vielmehr ein neues modisches Spiel der Phantasie als eine ernste
künstlerische Glaubenssache. Phantastische Übertreibungen sind diesen von einem stark
germanischen Einschlag durchsetzten Volksstämmen ja ohnedies eigen. Es wäre nur
allzu begreiflich, wenn man nun hier, als die Antike modern wurde, in ihr nur den
Zeitschrift für Geschichte der Architektur. II. 26
Neue Rekonstruktionsentwürfe des Tempels in
Präneste aus der Renaissance.
Von Privatdozent Dr. Burger-München.
Seit den Tagen, da Brunellesco, der Begründer der klassischen Renaissancebau-
kunst, nach Rom gepilgert war, um sich durch das Studium der antiken Bauten die
ersehnte, von allem Gotischen, dem Fremden, geläuterte nationale Sprache auf bau-
künstlerischem Gebiete zu erringen, ist die Antike die Lehrmeisterin der mächtig auf-
strebenden jugendlichen Renaissancekunst geworden. Aber sie war hier doch nur der
feste Stamm, an dem sich das junge Geschlecht emporrankte, um desto rascher die
eigenen Früchte zur Reife zu bringen. Die immense Fülle künstlerischer Gestaltungs-
kraft und der erstaunlich feine Instinkt für die innersten Gesetze der Natur haben die
Baukunst vor den Gefahren des Akademismus bewahrt, dem man anderwärts nur allzu
rasch erlegen ist. In Florenz war die Gotik nie recht heimisch geworden und deshalb
fand hier der Strom des neuen künstlerischen Lebens in ihr keinen ernstlichen Wider-
stand. Anderwärts hatte der aus der Gotik sich entwickelnde bauliche Eklektizismus
stärker Fuß gefaßt, war das Gefühl für die baukünstlerische Formenwelt nicht als ein
seltenes Geschenk der Natur von Anfang an der jungen Generation mit in die Wiege
gelegt worden. So war es in Venedig, wie allgemein in Oberitalieu: aus dem krausen
Formenwirrsal der halb gotischen, halb byzantinischen Architekturen fand man nicht
leicht den Weg zur «edlen Einfalt und stillen Größe» der Antike. l)ie Antike war hier
in der Baukunst vielmehr ein neues modisches Spiel der Phantasie als eine ernste
künstlerische Glaubenssache. Phantastische Übertreibungen sind diesen von einem stark
germanischen Einschlag durchsetzten Volksstämmen ja ohnedies eigen. Es wäre nur
allzu begreiflich, wenn man nun hier, als die Antike modern wurde, in ihr nur den
Zeitschrift für Geschichte der Architektur. II. 26