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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 2.1908/​9

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Rahtgens, Hugo: Romanische Steinmetzzeichen in Gr. S. Martin zu Köln
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https://doi.org/10.11588/diglit.19219#0248

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234 Dr. Ing. Hugo Rahtgens.

Beachtung zu als den gotischen.1 Und mit gutem Grund, denn eine weittragendere
Bedeutung erlangten sie erst, indem sie aus einer einfachen Marke, die sich ursprüng-
lich vielleicht nicht einmal auf den Steinmetzen, sondern — wie dies vielfach für die
römischen Zeichen angenommen wird — auf den Steinbruch bezog, also Warenmarke
war, zu einem persönlichen vom Meister, später von der Hütte verliehenen Ehren-
zeichen wurden und damit für uns einen wichtigen Faktor in der Künstlergeschichte
des Mittelalters bilden.

Dieser persönliche Charakter der Steinmetzzeichen konnte sich aber nur allmählich,
zugleich mit der Organisation des Handwerks und Hüttenwesens überhaupt, heraus-
bilden und trat jedenfalls zur Zeit, als die Emanzipation des dritten Standes erst be-
gann, noch ganz zurück'. Wenn somit auch in der Frühzeit die Zeichen in erster
Linie nur die Bedeutung von Marken, sei es zum Zweck der Kontrolle oder der Lohn-
zahlung gehabt haben werden, so dürfen wir doch nicht vergessen, daß es sich immer-
hin in den meisten Fällen auch hier schon, wenn auch noch nicht in so ausgeprägter
Weise wie später, um Urhebermarken handelt2, und diese angesichts unserer geringen
Kenntnisse der Bauführung in vorgotischer Zeit an Bedeutung gewinnen.

Die Bedeutung der Steinmetzzeichen, insbesondere der romanischen, zur Lösung
von Datierungsfragen ist freilich vielfach überschätzt und hat namentlich mit Bezug
auf Burgbauten oft zu Trugschlüssen geführt. Eine so feststehende chronologische Ent-
wicklungsreihe wie für die Bauformen läßt sich eben für die Steinmetzzeichen nicht
aufstellen, wenigstens nicht für die frühere Zeit. Dennoch aber können sie unter Um-
ständen für die Entstehung einzelner Bauwerke einen wichtigen Anhaltspunkt bieten;
namentlich wird man zugeben müssen, daß diejenigen Teile eines Gebäudes, welche
dieselben Zeichen aufweisen, auch annähernd gleichzeitg entstanden sind, falls es sich
nicht etwa um ein vereinzeltes zufälliges Vorkommen oder um spätere Auswechslung
einzelner Steine in älterem Mauerwerk handelt.

Unter diesem Gesichtspunkt gewinnen die zahlreichen, bisher ganz unbeachtet
gebliebenen Steinmetzzeichen an Gr. S. Martin in Köln eine erhöhte Bedeutung.

Bereits bei früherer Gelegenheit3 habe ich nachzuweisen versucht, daß der hoch-
strebende, von dem mächtigen Vierungsturm überragte Chorbau erst am Ende des 12.
und Anfang des 13. Jahrhunderts — vermutlich nach einem Brand im Jahre 1185 und
nicht bereits nach dem Stadtbrand von 1150, zu welcher Annahme das überlieferte
Weihejahr 1172 Veranlassung geben könnte — entstanden ist, ohne damals auf die
Entstehung und baulichen Veränderungen des Langhauses einzugehen.

Der auffallende Gegensatz ..zwischen dem hochentwickelten Chorbau und dem
schlichten, im Mittelschiff ursprünglich flachgedeckten Langhaus legt es nahe, dieses noch
auf einen Bau des 10. Jahrhunderts, aus welcher Zeit (unter Erzbischof Warinus 976 — 984)
Nachrichten über die Gründung des Klosters und Wiederherstellung der schon früher

1 In der reichhaltigen Literatur über Steinmetzzeichen findet man nur gelegentlich einige Angaben
über solche aus romanischer Zeit, so — außer in den Handbüchern — bei F. Schneider, Über die Steinmetz-
zeichen, insbesondere die des Mainzer Domes; Klemm, Würltembergische Baumeister und Bildhauer bis zum
Jahre 1750, sowie im Korrespondenzbl. d. Gesamtv. d. Gesch.- und Altertv., 1881, No. 8; Naeher in Bonner
Jahrb. 88, S. 146ff.; Pfaff ebd. 89, S. 189; Piper, Burgenkunde, 1 Aufl., S. 149ff.

2 Abgesehen von den Versetzmarken, die sich aber durch die Art ihres Vorkommens leicht von eigent-
lichen Steinmetzzeichen unterscheiden lassen.

3 Zeitschr. f. christl. Kunst, XVIII, Sp. 329 ff.
 
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