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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 2.1908/​9

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Meier, Paul J.: Die ottonischen Bauten in Quedlinburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.19219#0266

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252 P. J. Meier.

linburg wohl mit dem Bau zwischen 1070 und 1129 gleichsetzen können, aber nicht
mit dem von 997. Daß, wie Kutschmann, Roman. Baukunst und Ornamentik I, S. 9f.
zuerst gesehen hat1, der Meister auch an S. Abondio in Como seine Kunst ausgeübt hat,
fördert uns leider nicht in unserer besonderen Frage. Weiter aber ist es nicht möglich,
die Kapitale der östlichen Teile des Mittelraums und die Nebenräume der Quedlinburger
Krypta später anzusetzen, als das' Langhaus der Oberkirche. Denn wenn auch, wie
Brinkmann a. a. 0. hervorhebt, die Einzelformen des Langhauses weniger fein gear-
beitet sind, als die des Hohen Chores, so kann dies doch nur darin seinen Grund haben,
daß die ersten von Gesellenhänden herrühren. In der Zeichnung und in der Erfindung
stammen die dekorativen Skulpturen in der ganzen Oberkirche von einem und demselben
Künstler, dem Meister von S. Abondio, und da sie sich auch an den Nebenapsiden der
Querhäuser in Quedlinburg finden, so ergibt sich schon daraus ohne weiteres, daß die
unter ihnen liegenden Nebenräume der Krypta älter sind, als die Querhäuser selbst. Der
nach dem Brand von 1070 beginnende Neubau hat sich also zuerst auf die Umgestal-
tung der Krypta erstreckt, die dem letzten Viertel des XI. Jahrhunderts zuzuweisen
ist, und hat dann erst auf die Oberkirche, und zwar ziemlich gleichzeitig auf deren Lang-
haus und deren Ostteile übergegriffen. Daß die Kapitale der Krypta feinere Arbeit
zeigen, als die der Oberkirche, darf nicht wundernehmen. Denn gerade das XI. Jahr-
hundert zeigt z. B. in den Kapitalen der Ludgeridenkrypta in AVerden, der Ludgeri-
kapelle in Helmstedt und der Michaeliskirche in Fulda2 außerordentlich feine Formen,
während die erste Hälfte des XII. Jahrhunderts vielfach recht rohe Kapitale geliefert
hat. Die Entwicklung der Dekoration vollzieht sich eben nicht in gleichmäßig steigender
Linie, sondern mehr wellenförmig. Übrigens würde man die neueren Kapitale der Krypta
niemals anders, als auf das XI. Jahrhundert bestimmen können. Sowohl die Form der
Kämpfer, als die korinthisierenden Bossenformen schließen einen anderen zeitlichen An-
satz aus.

So würde ich denn die landläufige Anschauung, daß die Stiftskirche von 997 die
Stelle der jetzigen eingenommen habe, der Ansicht Brinkmanns noch immerhin vor-
ziehen. Aber auch jene wird schon durch die Beobachtung stark erschüttert, daß es
doch sehr auffallend ist, wenn zwar von dem ältesten Bau der Peterskirche die West-
joche und die Grabanlage trotz des Umbaus und des Brandes von 1070 erhalten, aber
von der Stiftskirche des Jahres 997 weder in der Krypta noch in irgendeinem Teile
des Oberbaus auch nur das geringste Stückchen in situ auf uns gekommen sein sollte.3
Ich war deshalb schon immer überzeugt, daß der Bau von 997 an ganz anderer Stelle
gelegen haben müßte, und daß die Peterskirche erst bei dem zweiten Bau nach 1070
Krypta geworden sei.

dem ältesten Teile seiner Kirche, beigesetzt sein. Auch die hl. Grabkapelle in Gernrode gehört hierher, wie
Schmidt a. a. 0. beobachtet hat.

1 Dann aber auch unabhängig von ihm und unter sich Brinkmann und A. Goldschmidt.

2 Nach meiner Beobachtung gehört nämlich der Oberbau derselben erst der Neuweihe von 1092 an,
und ich werde in dieser Meinung durch Dehio, Handbuch der Kunstdenkmäler Deutschlands I, 107 bestärkt.

3 Einzelne interessante Kapitäle antikisierender Art, die jetzt in der Krypta aufbewahrt werden und
die mit gewissen Kapitalen der Stiftskirche in Gandersheim große Verwandtschaft zeigen, möchte ich aller-
dings dem Bau von 997, bezw. 1021 zuweisen; sie sind aber bei Ausgrabungen — an welcher Stelle, weiß
ich nicht — aufgefunden worden. Die Sockel der Säulen der Nikolaikapelle dagegen sind umgedrehte Kapitäle
der ottonischen Zeit.
 
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