Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 2.1908/​9

DOI Artikel:
Meier, Paul J.: Die ottonischen Bauten in Quedlinburg
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.19219#0271

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
257

geteilt, und indem die Stützen sich halbkreisförmig auch in der Apsis fortsetzen, wird
diese in einen kleinen Chor und einen Chorumgang zerlegt. Im westlichen Viereck
steht je ein schlichter Pfeiler zwischen zwei Säulen mit attischem, eckblattlosem Sockel,
pilzartigem Kapital und Platte darüber, in der Apsis zwei Eckstützen in Gestalt einfacher
Pfeiler und zwischen ihnen auf einer Erhöhung, die auch dem Altar als Unterlage dient,
vier kleine Säulen, gleichfalls mit attischem, eckblattlosem Sockel, aber einem Kapital,
das einen allmählichen Übergang aus dem oberen Quadrat in das untere Kreisrund
darstellt, und ein kleiner Pfeiler mit ionisierendem Kapital. Alle Stützen sind durch
geraden, an den Kanten profilierten Architrav miteinander verbunden, und auf diesem,
sowie auf den Wänden ruhen Tonnen-Gewölbe, deren Scheitel doch wenigstens 2,6 m über
dem Fußboden liegt, während die Architrave nur 1,63 m davon entfernt sind. Im Mittel-
schiff ein Gurtbogen, der der Pfeilerstellung entspricht. Der Chor ist mit Viertelkuppel
gedeckt. In den Wänden des Vierecks wie der Apsis viereckige Nischen, die wohl zum
Sitzen dienten.

Wie Hase a. a. 0. S. 1 ff., betrachtet auch Brinkmann, der die Wipertikrypta in
seinem oft genannten Aufsatz 258 ff. gleichfalls bespricht, diese in ihrem gegenwärtigen
Zustande — das schienen mir wenigstens seine Worte besagen zu wollen — nicht als ur-
sprüngliche Krypta, sondern als selb-
ständigen Bau aus der Zeit um 900,
und das scheint augenblicklich die
allgemeine Ansicht der Gelehrten zu
sein. Aber wo wir jetzt wissen, daß
die merkwürdigen Säulen der Münster-
krypta auf der Burg vermutlich einem
Einbau des Jahres 936 angehören,
daß zu gleicher Zeit die Verlegung des bisherigen Chorherrenstiftes von der Burg in die
Pfalz stattfand, daß das kleine Gotteshaus, das auf der Pfalz liegt, vier Säulen genau
derselben Art besitzt, die noch an einer dritten, sicher zu datierenden Stelle, der 943
geweihten Peterskirche in Werden, vorkommen, und daß schließlich die Wipertikrypta
für den Gottesdienst eines Chorherrenstiftes weder hätte neu erbaut noch auch selbst,
wenn sie schon vorher bestand, weiter benutzt werden können, so scheint mir doch
damit ohne weiteres der Beweis gegeben zu sein, daß bei der Verlegung des Chor-
herrenstifts ins Tal 936 an der Stelle der karolingischen Wipertikrypta des IX. Jahr-
hunderts eine neue Kirche erbaut worden ist, deren Krypta dem hl. Wigbert weiter
verblieb. Für deren selbständige Bedeutung aber spricht in der heutigen Gestalt
schlechterdings nichts.1 Bei einer Kapelle wäre die lichte Breite des «Langhauses»
von etwas über 6 m, namentlich in Rücksicht auf die geringe Tiefe von nur 4 m,
ganz ungewöhnlich, und nicht weniger der Radius von etwas über 3 m bei der
Apsis, während sich diese A^erhältnisse unter der Annahme, daß für sie der Oberbau
einer größeren, kreuzförmigen Basilika maßgebend gewesen sei, auf das einfachste er-
klären. Wer aber einmal eine Kapelle von derartigem Grundriß schafft, verfällt doch

Abbildung 9. Quedlinburg, Wipertikrypta (Längsschnitt).

1 In dieser Überzeugung kann mich auch die neueste Besprechung der Wipertikrypta in dem an-
regenden Buche von A. Haupt, Die älteste Kunst der Germanen, S. 247 ff., nicht irre machen. Übrigens kann
keine Rede davon sein, daß die Pilzkapitäle auf der Drehbank hergestellt wären; sie sind vielmehr, wie
ich feststellen konnte, sehr unregelmäßig gearbeitet.
 
Annotationen