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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 47.1920-1921

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Bredt, Ernst Wilhelm: Die Gefahr der Staats-Sammlungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.9122#0059

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DIE GEFAHR DER STAATS-SAMMLUNGEN.

Unter der großen Not der Zeit leiden schwer
alle öffentlichen Museen. Das Geld fehlt
für Neuerwerbungen. Oft fehlt sogar das Geld
für die notwendigsten Erhaltungsarbeiten. —
So treibt die Not zur bestmöglichen Veräußerung
entbehrlicher Schätze. Man verkauft Dubletten,
d. h. Stiche, Münzen, Medaillen, Porzellane, die
in gleichem Abdruck oder Abguß mehr als ein-
mal vorhanden. Dagegen ist in den meisten
Fällen nichts einzuwenden. Freilich, auch hier
kann aus Klage Anklage werden. Denn wir
wissen nicht immer, welche Wiederholung der
schaffende Künstler für das bessere Exemplar
gehalten hat oder gehalten hätte. Stellt sich
das später heraus, ist die Veräußerung ein Feh-
ler. — Doch auch Galerien veräußern Gemälde
und Werke der Plastik, die nur einmal gemalt
oder gemeißelt wurden. Es handelt sich da um
Werke, die wir nicht als würdig für eigentliche
Kunstsammlungen halten. Freilich ziehen hier
verschiedene Zeiten und Richtungen auch ver-
schiedene Grenzen derQualität. — Auf alleFälle
schafft die Not gar sehr bedenkliche Zustände
und Maßnahmen, an denen die Allgemeinheit als
die Besitzerin ein ernstes Interesse, ja geradezu
die Pflicht der Teilnahme und Beratung hat.

Auch darf nicht das Museum für das tüch-
tigste gehalten werden, das das meiste Geld
aus den alten Beständen herauswirtschaftet,
sondern das, das am vorsichtigsten veräußert.
Denn die Angelegenheit ist von weittragender
Bedeutung für das ganze öffentliche Museums-
wesen überhaupt.

Wer bisher einem Museum ein kostbares oder
ihm liebes Werk der Kunst als Schenkung über-
wies, tat das in dem beruhigenden Bewußtsein,
das Werk nun für alle Zeiten in bester Aufbe-
wahrung zu wissen und von den größeren Ge-
fahren des privaten Besitzes bewahrt. Manches
Museum dankt solchen Erwägungen einen guten
Teil seiner Reichtümer. —

Das wird mit einem Schlag anders, das Schen-
ken an öffentliche Museen wird aufhören, wenn
die Museen beständig Werke veräußern, wenn
sie die Würde der großen Erhalterin verlieren,
wenn sie sich zu Gelegenheitsgeschäften herab-
würdigen. Die Größe dieser Gefahr möge auf
beiden Seiten nicht verkannt werden. Der Privat-
mann aber, der Werke einem öffentlichen Mu-
seum schenkt oder vermacht, schütze das, was
ihm lieb gewesen, vor den Zufälligkeiten wech-
selnden Besitzes, durch die Bestimmung und

Bedingung, daß das Werk immer im Besitz eines
öffentlichen Museums zu bleiben hat. — Es ist
doch ohnehin schon ein böser Treppenwitz der
Weltgeschichte, daß in demselben Zeitpunkt, in
dem alles sozialisiert und kommunisiert werden
soll, gerade die zum Teil kostbarsten Kunst-
werke aus dem festen und geehrten Besitz der
Allgemeinheit in die Hände unzuverlässiger
Privater zurückfließen sollen.

Aber die Museen unterliegen dem Zwang,
wie sollen sie sich helfen? In vielen Fällen
wird der Weg des Tausches mit anderen Museen
zweifellos manche hervorragende Möglichkeit
schaffen, lang gehegte Ankaufswünsche zu er-
füllen. Wie manches Werk der Malerei, des
Kunstgewerbes usw. usw. empfanden wir schon
längst in einem Museum von strengerer künst-
lerischer Auswahl als völlig ungeeignet; in einem
Museum, das irgend welchen besonders gerich-
teten geschichtlichen oder lokalen Zwecken
dienen will, wäre es aber eine willkommene
Ergänzung und Bereicherung. Andererseits
weiß ich, wie manche kulturgeschichtliche
Sammlung unbeschadet ihres Gesamtwertes
Zeichnungen, Bilder, Stiche usw. an Kunst-
sammlungen abgeben könnte — gegen ent-
sprechenden Umtausch.

Fehlt uns Bargeld für unsere Museen, ist doch
noch nicht alles verloren. Es möge nur der
freilich lästigere, aber doch oft sehr willkom-
mene Tauschverkehr der raschen Veräußerung
an Private vorgezogen werden. Die Pietät gegen-
über den Geschenkgebern, die die neue Zeit
erst recht nicht entbehren kann, muß gewahrt
werden. Das erheischt die Wohlfahrt der Kul-
tur und des Staates...........e. w. bredt.

Ä

Je weniger ein Land von Klima und Natur be-
günstigt ist, um so mehr sind seine Bewohner
auf Arbeit und Verdienst angewiesen. Den
Mehrbedarf an Subsistenzmitteln und den Man-
gel an Naturprodukten muß die Veredlung der
Arbeit ausgleichen. Der Fall, daß ein großer
Künstler aus einer Palette voll Ölfarbe in we-
nigen Tagen einen Marktwert von Hundert-
tausenden schafft, ist zwar ein extremer. Er
deutet aber die Richtung an, in der unser Volk
die Mißlichkeiten seiner Lage überwinden kann.
Sorgfältige Entwicklung aller Fähigkeiten und
ihr Einsatz zum allgemeinen Wohl — das muß
die Losung sein. Hieran mitzuwirken sind die
Museen in erster Linie berufen, k. e. osthaus.
 
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