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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 47.1920-1921

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Jaumann, Anton: Kunst, Geschäft und Mode
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https://doi.org/10.11588/diglit.9122#0123

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KUNST, GESCHÄFT UND MODE.

Man schilt auf den Künstler, der seinen Be-
ruf kaufmännisch auffaßt und sich in Ge-
schäfte einläßt. Er habe die Fahne der reinen
Kunst verraten, zischeln böse Zungen ihm nach,
er sei nicht mehr ernst zu nehmen. So wird er
ausgestoßen aus dem Kreis der Aufrechten, der
Unentwegten, der Tempelwächter, die aus-
schließlich dem hehren Ideal absoluter Kunst
nachstreben.

Mein Gott, seien wir doch einmal weniger
eingebildet! Wo ist denn der Künstler, der
nicht nach Erfolg, auch materiellem, strebt? Die
reine Kunst duldet keine Kompromisse. Aber
wer hat noch keine Kompromisse eingegangen?
Wer schaut immer nur gerade aus und niemals
auf die Kritiken und die Verkäufe anderer?

Es sei gestattet, über das Thema vom „heh-
ren" Beruf des Künstlers auch einmal rein ver-
ständig und menschlich zu sprechen. Man braucht
nur in das Berliner Adreßbuch zu sehen, und
man ist zum xten Male überzeugt, daß es um
90u/o zu viele „Kunstmaler" gibt. Wie? Ist
man sich nicht klar, daß, wer diese Zahllosen
in den Pferch der „reinen Kunst" zwingen will,
sie gleichzeitig zum Hungertode verurteilt!
Natürlich ist die Beschäftigung mit kunstgewerb-
lichen und geschäftlichen Dingen nicht mit Strafe
belegt. Aber die allgemeine Fehme, oder auch
nur die Mißachtung vor sich selbst, die wirken
um kein Haar anders. Was helfen da die schö-
nen Reden von künstlerischer Beeinflussung der
Produktion und des Lebens, wenn der einzige,

wirklich gangbare und aussichtsreiche Weg, die
geschäftliche Betätigung, mißachtet wird und
um viele Stufen unter den hohen und freien
Künsten steht? Es ist doch einfach lächerlich,
wenn ein Expressionist dritten Grades, nur
weil er gerahmte Bilder ausstellt, sich was un-
endlich Vornehmeres dünkt als der Atelier-
nachbar, der Batiks anfertigt oder Bogenlampen
entwirft. Äußerstenfalls darf man „künstleri-
scher Beirat" werden, aber selbst hämmern und
färben, selbst verkaufen — puh, das ist soviel
wie moralischer Selbstmord. Von der Höhe
des tarpeischen Felsens wird dieser Tempel-
schänder geschleudert zur Masse der „Koof-
michs". Und nicht besser ergeht es dem Ar-
chitekten, der es wagt, außer dem steinernen
auch den oft so viel schwierigeren finanziellen
Hausbau zu übernehmen. Das Ulkige dabei ist,
daß ein Großteil der Architekten in erster Linie
praktisch-geschäftlich veranlagt ist, sonst wären
sie ja auch nicht Baumeister, sondern vielleicht
Bildhauer oder Maler geworden, Man drängt
den Architekten zu einer vorwiegend zeich-
nerischen Tätigkeit und wundert sich dann über
das papierne Aussehen seiner Häuser. Die
schlüsselfertige „Lieferung" von Häusern in
eigener Regie, diese glatteste und Bauherrn wie
Handwerkern sicherste Lösung, warum ist sie
verpönt? Doch einzig aus der Scheu des „Künst-
lers" vor Vermengung mit geschäftlichen Din-
gen. Der Dichter verkauft doch auch seine
Bücher nicht selbst!!
 
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