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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 47.1920-1921

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Fischer, Otto: Ausstellung der neuen Secession in München
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https://doi.org/10.11588/diglit.9122#0019

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J. W. SCHÜLEIN-

iXDE »SOMMER«

AUSSTELLUNG DER NEUEN SECESSION IN MÜNCHEN.

VON OTTO FISCHER.

Die Ausstellung der Neuen Secession scheint
mir bei weitem die interessanteste und
erfreulichste Darbietung dieses Münchener Som-
mers. Und zwar deshalb, weil sie eben das
nicht ist, was das Plakat der drei roten Männer
eigentlich erwarten läßt, nicht eine Darbietung
des extremen und sich immer rasender über-
steigernden Wildentums in der Kunst, nicht eine
Schaustellung des üblichen Expressionismus.
Es ist, von den Jüngsten wie von den Älteren
aus gesehen, viel eher eine Ausstellung der
mittleren Linie, ausgezeichnet durch ein unge-
wöhnlich gutes und künstlerisch hohes Niveau
der Wahl und der Leistung. Es ist müssig
zu sagen, daß der Expressionismus heut sich
totgelaufen habe und bei seinen letzten Zuck-
ungen angelangt sei. Mag sein. Das Eine aber
wird in dieser Ecke des alten Glaspalasts klar,
daß die besten unter den jüngeren Münchener
Malern — die Plastik scheidet leider fast gänz-

lich aus — genau wie die Meister der früheren
Generationen niemals um des Extrems willen
eine Mode übertrieben, sondern in langer Ar-
beit ein jeder den ihm gemäßen Weg sorgsam,
ehrlich und im Gefühl einer großen Verpflich-
tung gebahnt und geöffnet haben. Diese Maß-
vollen und Selbstsicheren sind auch hier die
Träger der sich wandelnden Kunst. Ein Schaffen
aus dem Nicht-anders-können des Gefühls her-
aus, eine gute Selbstzucht der Arbeit und eine
ehrliche Anständigkeit der Gesinnung zeichnet
fast alle diese Künstler aus. Dem deutschen
Norden scheint das Scharfe und Aggressive, aber
so oft auch Blutleere des intellektuellen Ver-
suchs bis in alle Extreme eigen zu sein. Hier
im Süden wirkt die ältere Kultur des Sinn-
lichen. Das dekorativ Wohltuende, das farbig
Wohlklingende, das technisch Wohlgepflegte
ist auch heute noch das Kennzeichen des eigen-
tümlich Münchnerischen in der Malerei.

XXIV. Okt.-Nov. 1920. 1
 
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