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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 47.1920-1921

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Jaumann, Anton: Töne im Raum
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https://doi.org/10.11588/diglit.9122#0172

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WIENER WERKSTATTE. DAG. PECHE.

• FRUCHTSCHALE IN GETRIEB. SILBER«

TÖNE IM RAUM.

VON A. JAUMANN.

Tn dämmerdunkler Ecke sitzen wir, drüben
J. steht der schwarze Flügel, und von kaum
sichtbarer Hand hervorgelockt perlen die Töne
hinauf in den Raum. Musik! Hier kann sich
dir die Seele ganz ergeben. Kein Publikum
stört, kein Konzertsaal! Warum muß ich die
öffentliche Aufführung als Profanation empfin-
den, warum kann ich da nicht länger als eine
Viertelstunde folgen, ständig gestört von der
Aufmachung, der Menschheit ringsum, von der
Atmosphäre, von dem Sitzen in Reih' und Glied,
während ich hier im Heim endlos hören könnte?

Töne im Raum! Ihr fühlt euch hier zuhause.
Ihr weht um die hellerleuchtete Lampe, ihr
spielt um die Blumen, sprecht mit Bildern und
Bronzen. Ihr vermählt euch dem Licht und dem
Dunkel! Zu dem träumenden Mädchen, das im
braunen Lehnstuhl kauert, kommt ihr und strei-
chelt ihre Haare, ihre Hände, ihre Seele. Das
tanzt und spinnt zwischen Wänden und Ecken
— hin und her.....

Ihr Töne im Raum, ihr seid ein Geschenk an
die durstenden Seelen. Eure Fröhlichkeit will
beglücken, ihr helft dem Traurigen klagen, eure
Stärke gibt den Ringenden Kraft..........

Wohl, ich weiß, es gibt Musik, die eignet sich
nicht für die persönliche Zwiesprache. Wagner
braucht das Theater, um lebendig zu werden.
Sein Raum ist die Bühne, die Brandung zwi-
schen Kulisse und Orchester — mit dem dunklen
Zuschauerraum als Resonanz. Er wendet sich
auch nicht an den Einzelnen, seine Töne wühlen
in den Massen, arbeiten mit Massen. Wollten
wir Wagner dieses Dreidimensionale, die Be-
ziehungen und Assoziationen nehmen, seine
Musik wäre in ihrem innersten Nerv getroffen.
Ihm selbst war es nicht verborgen, daß er mehr,
anderes, als „Nur-Musik" bot, er wollte das
„Gesamtkunstwerk", verstand darunter jedoch
nur die Einheit von Dekorationen, Geste, Ge-
sang und Orchester, während doch das Ver-
hältnis zum Raum, zum Zuhörer, zum Haus und
all die persönlichen Einschläge vom Autor,
Dirigenten, Darsteller her, mindestens ebenso
wichtig sind. Zu seiner Musik gehörte wesent-
lich das Festspielhaus.

Spielen wir also nicht Wagner zuhause, er
sprengt den Raum, er sprengt auch die Gesell-
schaft der Wenigen. —

— Lieder zur Laute: Wo klingen sie besser,
 
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