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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

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Schölermann, Wilhelm: Die internationale graphische Ausstellung der Vereinigung bildender Künstler Österreichs (Sezession) in Wien
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5771#0058

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ßücherschau.

100

Prüfung gleich Spukgebilden im Nebel. Überlebens- I
grosse menschliche Formen wachsen aus Mauern oder |
Baumwurzeln heraus, und gehören doch organisch
in diese Gegenden hinein, so dass sie nicht stören
und man sich gar nicht wundern würde, wenn sie
auf einmal doppelt so gewaltig heraustreten würden.
Dabei spielt hin und wieder ein seltsam gesunder
Humor mit hinein, wie beispielsweise auf dem Blatt,
wo die wilden Bären in einem umgestürzten Riesen-
baum ein Nest wilder Bienen entdeckt zu haben
scheinen und lüstern nach dem Honig schnuppern!
Von Jettmar erwarte ich viel im Laufe einer unge-
störten Selbstentwicklung. —

Wilhelm List hat zwei Lithographien (»Erschaf-
fung der Eva« und »Daphne«) und ein Pastell (»Die
hohen Bäume«) ausgestellt.

Emst Stöhr bringt eine sehr koloristische Litho-
graphie (betitelt »Zu Mozart's G-moll-Symphonie)
und zwei Zeichnungen (»Gewissensqual« und »Sternen-
nacht«), in denen die ernste Stimmungstiefe dieses
Künstlers zum Ausdruck gelangt.

Josef M. Auchentaller ist durch einen Rahmen
mit drei Zeichnungen, die man als Vorstudien zu
Tapetenmustern auffassen kann, vertreten, das beste
davon sind die breitgezeichneten grossen Schwert-
lilien. Auch hat er die Dekoration des VH. Saales
übernommen. Von den Österreichern sind ausserdem
beteiligt: Gustav KUmt, mit einigen zum Teil aus
dem »Ver Sacrum« bereits bekannten Zeichnungen,
Friedrich König, Max Lenz, Alfred Roller, und ein
neuer, bisher unbekannter Name: der des Dr. Hans
Przibram, welcher, von Beruf Naturforscher, eine
ganze Reihe von allerliebsten Zeichnungen mit Tusche
aus dem Tier- und Pflanzenleben entworfen hat, die
als Buchschmuck für den Musenalmanach der Hoch-
schüler Wiens bestimmmt sind. Von den auswärtigen
Österreichern ist der Prager Emil Orlik mit Litho-
graphien und der in München lebende Alois Hänisch
mit verschiedeneu Zeichnungen in Graphit vertreten.

Von den Ausländern herrschen die Franzosen
und Engländer vor. Grasset zeigt u. a. seine zwei
in Charakteristik und Farbengebung etwas unheim-
lichen Blätter »Vitriol« und »la morphiniste«, sowie
eine Reihe von Studienblättern. Von den übrigen
grossen Pariser Plakatkünstlern und Illustratoren sind
Toulouse-Lantrec, Henri Riviere, Raffaelli (mit vier
leichtkolorierten Trockenstiftzeichnungen), Charles
Leandrc, Leon Willette, Felix Valotton, Besnard,
Francis Jourdain (mit sehr feinen farbigen Ätzungen
von silhouettenhafter Wirkung), Alexandre Lunois,
Alfred Roll, Louis Legrand, Bontet de Monvel,
E. Balot, Brecquemont, Fora in, Steinten, Jeanniot,
Cheret und Richard Ranft vertreten. Der letztere
hat in höchst eigenartiger Weise einen Stil in der
farbigen Lithographie ausgebildet, der die feinsten
koloristischen Wirkungen auf moderne Motive anzu-
wenden vermag. In neuerer Zeit sah ich verschiedene
dieser farbigen Steinzeiclmungen, die in Farbe, Tech-
nik und Ausdruck ganz hervorragende Qualitäten
aufweisen.

England hat seinen grossen Karikaturisten und

i Humoristen Nicholson vertreten durch sieben vom
Künstler selbst bemalte Drucke, das Portät der Königin
von England und sechs Blätter Londoner Typen.
Ausser ihm finden wir Josef Penneil, Walter Crane,
John M. Swan, C. Shannon Hazelwood, Georg Sauter
(den Münchener), Frank Brangwyn, Gerald Moira
(mit einer Anzahl Kartons und Entwürfen für farbige
Glasfenster) und vor allem als Curiosität ein Origi-
nalblatt von Aubrey Beardsley, die schwarz-weiss-rot-
Zeichnung »Isolde'. Von Eugene Carriere sind einige
seiner feinsten Porträtzeichnungen (Verlaine, Daudet
und Rodin) ausgestellt.

Fernand KJmopff und andere Belgier (darunter
Rysselberghe) sind mit charakteristischen Arbeiten
vertreten, auf die es jedoch kaum nötig ist, hier
nochmals im einzelnen einzugehen.

Unter den deutschen Zeichnern und Karikaturisten
fallen einige ältere Tierbilder für die »Fliegenden<
von Oberlände/ auf, ferner Beiträge von Georg Lährig
(Dresden), Käthe Kollwitz (Berlin), Leo Samberger
(Porträt Franz Stuck's), Sacka Schneider, Arthur
Jllies (Hamburg), Otto Greiner und Otto Fischer,
Arthur Kampf (Düsseldorf). Die Dresdener Max
Pietschmann und Richard Müller und der alte Wil-
helm Leibi, Max Liebermann und sogar Adolf
Menzel mit einer Anzahl von Zeichnungen in wun-
derlich beobachteten Verkürzungen aus der älteren
Zeit. Auch Walter Leistikow und Ludwig von Hoff-
mann fehlen nicht. KUnger hat fünf verschiedene
Studienblätter ausgestellt und auch Hans Thoma,
den »Mitteldeutschen Dichter«, begrüssen wir als
alten lieben Bekannten. Ganz besonders möchte ich
aber hier noch auf Angelo Jank (den Mitarbeiter
der »Jugend«) hinweisen, der in drei farbigen grossen
Zeichnungen aus Rothenburg a. d. Tauber ganz her-
vorragendes leistet. Es ist eine echt deutsche, kraft-
gesättigte, treuherzige Kunst, die Jank uns bietet, an-
heimelnd wie ein alter Meisterholzschneider von
Kranach'schem und Dürer'schem Geiste. Die ganze
Technik passt zur Stimmung, die uns unwillkürlich
das Bild der »Wartburg« in der Phantasie hervor-
zaubert, mit den sanften Höhen und Wäldern der
mitteldeutschen Landschaft.

Alles in allem eine reichbeschickte (über 600
Nummern umfassende) und sehr sehenswerte Vor-
führung der zeitgenössischen zeichnerischen Künste
Deutschlands und des Auslandes.

BÜCHERSCHAU

Paul Johannes Ree; Modern. Der rechte Weg zu künst-
lerischem Leben. Eine apologetische Studie. Leipzig und
Berlin, Verlag von E. A. Seemann 1900.

Ein liebenswürdiger, geistreicher und tiefempfindender
Plauderer hat das Katheder bestiegen und erzählt von
einer Abendgesellschaft, bei welcher ein alter Kunstfreund
und ein junger Maler in ein Gespräch über Kunst kommen
und ihre gegensätzlichen Anschauungen über »die Moderne
darlegen. Sie beziehen sich dabei fast ausschliesslich auf
Architektur und Kunstgewerbe. Für den alten Herrn ist
mit den früheren Stilen das Reich der Ausdrucksmöglich-
keiten erschöpft, und er verwirft alles Moderne als unbe-
 
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