Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

DOI Artikel:
Amelung, Walther: Ausgrabungen auf dem Forum Romanum, [2]
DOI Artikel:
Dodgson, Campbell: Wer war Martin Schiffelin?
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5771#0131

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
245

Wer war Martin Schiffelin?

246

Fussboden ringsum wesentlich tiefer gelegt worden
sein; man musste demgemäss Teile des Basaments,
die ursprünglich unter dem Boden lagen, mit Marmor-
platten belegen. Die Verhältnisse des Bogens wurden
dadurch wesentlich alteriert, der Eindruck verändert.

Den Beweis dafür, dass zur Zeit Constantin's der
Boden tiefer gelegt war, liefert uns die Thatsache,
dass das Backstein-Postament einer Reiterstatue dieses
Kaisers südlich vor dem östlichen Nebendurchgang
des Bogens auf diesem Niveau steht. Die zu dem
Denkmal gehörige Marmorbasis, die über dem Posta-
ment stand und das Pferd trug, war schon 1547 ge-
funden worden; man hat sie jetzt wieder an ihren
ursprünglichen Platz gerückt.

In der Nähe sind die Reste einer Inschrift aus
sullanischer, spätestens ciceronianischer Zeit auf Traver-
tin gefunden worden. Sie sind in dem Tempel des
Romulus geborgen. Es handelt sich darin um einen
Bau; doch lässt sich aus dem Erhaltenen nicht ent-
nehmen, um welchen. Wir sind an die Grenze ge-
langt, die das Comitium vom Forum trennte, und
damit an den interessantesten Punkt der Ausgrabungen.
Da aber hier gerade die Arbeiten noch fortdauern
und täglich neue Lösungen alter Rätsel bringen
können, sei die Berichterstattung darüber noch ver-
schoben.

Zwei Dinge sind hervorzuheben, welche die Arbeiten,
die bisher geleistet und in diesem Bericht beschrieben
wurden, auszeichnen vor allem, was bisher von italie-
nischer Seite in dieser Richtung auf dem Boden des
Forums geleistet worden ist: das unermüdliche Be-
streben, den Problemen auf den Grund zu gehen
und die pietätvolle und planmässige Konservierung
des Erhaltenen, auch dessen, was in christlicher Zeit
in den Trümmern des Antiken entstanden ist. Darin
liegt ein bedeutungsvoller Fortschritt, den man nicht
genug anerkennen kann und für den man gebühren-
den Dank dem Leiter der Ausgrabungen, dem In-
genieur Boni entrichten muss.

Rom, Dezember 1899. WALTHER AMELUNG.

WER WAR MARTIN SCHIFFELIN?

In der Bibliothek des British Museum (3908 h. 1)
befindet sich ein Fragment, nur die Signaturen f bis nt
enthaltend, der »zu Strassburg durch Johannem Knob-
lauch auff Frytag nach Gregorij, Des jars do mann
zalt M. D. Xj.« gedruckten Ausgabe des »Granatapfels«
von Dr. Johann Geiler von Kaisersberg. Diese Aus-
gabe enthält bekanntlich sechs Illustrationen von
Hans Baidung Grün (Eisenmann 83—88), welche mit
den Holzschnitten Burgkmair's zu der Augsburger
Ausgabe von Hans Otmar (1510) inhaltlich und
kompositionell so genau übereinstimmen, dass die
beiden Folgen selbst von berufenen Kunsthistorikern
oft verwechselt worden sind. Was die Erfindung
betrifft, ist der ganze Illustrationscyklus das geistige
Eigentum des Augsburger Künstlers; der Strassburger
hat seine Vorlage mit der unbefangenen Freiheit der
damaligen Zeit ganz offen benutzt, wenn er auch

dieselbe nicht bloss als Kopist, sondern als selb-
ständiger Künstler umgearbeitet, und ihr das unver-
kennbare Gepräge seines höchst individuellen Stils
verliehen hat.

In dem oben erwähnten defekten Exemplar, welches
nur die beiden letzten Holzschnitte Baidungs enthält: die
sieben geistlichen Schwerter und die sieben Scheiden,
j durch welche Geiler die sieben Haupt- oder Tod-
j sünden und die entsprechenden Tugenden versinn-
bildet, entdeckte ich kürzlich auf dem Schlussblatt,
links unter der vorletzten Spalte des Textes, das mit
Tinte eingetragene Autograph eines frühen Besitzers
des Buches, und zugleich eines der Kunstgeschichte,
so viel ich weiss, unbekannt gebliebenen Künstlers:
»Martin Schiffelin mäler.«

Das auf den Namenszug folgende Zeichen ver-
suchte ein neuerer deutscher Besitzer des Buches,
wohl kein Kunsthistoriker, in einer auf dem modernen
Papierumschlag (1835) geschriebenen Notiz zu er-
klären: »N. B. am Ende Martin Schistlin mäler
D. i. e. donum.« Wie ich glaube, bildet
der, sonst wenig zweckmässige, lange Strich in

I Verbindung mit der scheinbaren Majuskel D das
Künstlerzeichen des Malers, und zwar die auf Werken

I des bekannten Malers Hans Schäufelein hundertmal

j in ähnlicher, wenn auch nicht ganz identischer Form
angebrachte Schaufel. Aus dem Gebrauch einer
Schaufel als Künstlerzeichen und der sehr ähnlichen
Schreibart des Namens — auf dem Wandgemälde im
Rathaussaal in Nördlingen wird der Name »Scheifelein«,
anderswo, nach Nagler, »Scheyffelin« geschrieben —

■ dringt sich der Schluss unwiderstehlich auf, dass wif
es hier mit einem weniger berühmten Mitglied der-
selben Künstlerfamilie zu thun haben. In den Hand-
büchern werden nur der Vater Franz aus Nördlingen
und dessen in Nürnberg geborener Sohn Hans
Leonhard genannt. Ob irgendwo ein Martin Schäufelein,
etwa ein Bruder Hans Leonhard's, urkundlich erwähnt
wird, möchte ich gern von besser unterrichteten
Forschern erfahren. Dass Martin Schiffelin die Strass-
burger Ausgabe von 1511, und nicht, wie wohl eher
zu erwarten war, die 1510 in Augsburg mit den
Burgkmair'schen Holzschnitten erschienene besass,
daraus lässt sich wohl kein sicherer Schluss auf die
Heimat dieses Malers ziehen. Selbst Hans Schäufelein
hatte bekanntlich gerade in den Jahren 1514—1517,
kurz nach dem Erscheinen dieser Strassburger Ausgabe
des Granatapfels, manche Beziehungen zu ober-
rheinischen Verlegern (Adam Petri in Basel, Thomas
Anshelm in Hagenau, Johann Grüninger in Strass-
burg), während er selbst, so weit wir wissen, nur eine
Zeit lang in Augsburg, dann wieder in Nördlingen
wohnte. Dass ein etwa in Nürnberg, Augsburg oder
Nördlingen wohnender Künstler ein in Strassburg
gedrucktes illustriertes Buch besass, darf kaum unser
Erstaunen erregen.
 
Annotationen