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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

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Warncke, Paul: Die große Berliner Kunstausstellung, [1]: die Sonderausstellungen
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Schuchhardt, Carl: Eine Anmerkung zu Hermann Lüer's Aufsatz: "Fälschungen mittelalterlicher Kunstarbeiten" (No. 24, 3. Mai)
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https://doi.org/10.11588/diglit.5771#0211

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Eine Anmerkung zu Hermann Lüer's Aufsatz: »Fälschungen mittelalterlicher Kunstarbeiten«.

es ein wahrer Genuss, dass Hugo Vogel den Ein-
druck seiner Sonderausstellung nicht durch das Doppel-
porträt der Präsidenten Ende und Becker gestört hat,
das im Winter bei Schulte zu sehen war, und das
man angesichts dieser Darbietungen glücklicherweise
als Äusserung eines vorübergehenden Schwächeanfalles
des Künstlers bezeichnen kann.

Mit einer weit geringeren Anzahl von Werken als
der Berliner Maler erscheint der Belgier Emile Waaters,
dessen Sonderausstellung einen Teil des Nebensaales
füllt, dessen Hauptbild aber in dem sogenannten »Ehren-
saal« aufgestellt ist. Es stellt dar »Sobieski am Kahlen-
berge, Wien, von der türkischen Armee belagert« und
ist in der That ein gutes Historien-, mehr noch ein
gutes monumentales Landschaftsbild. Denn es ist sehr
gut komponiert und offenbar auf dekorative Wirkung
hin gemalt, wenn es freilich auch etwas schwer im
Ton genannt werden muss.

In seinen Porträts zeigt sich Wauters ebenfalls
nicht gleichwertig, allerdings überwiegt das Gute.
Sehr lebensvoll, kräftig und breit gemalt ist das Bild
des Herrn Jamar, höchst lebensvoll auch das der
Frau Vanderborght, vor allem aber das der Frau Luise
Hagen. Alle diese Werke sind trotz der sie aus-
zeichnenden Frische sehr fein und eingehend durch-
geführt. Wuchtig und packend in der Wirkung ist
die gefangene Zigeunerin«, und ausgezeichnet auch
eine »Aktstudie«.

Ausser diesen Sonderausstellungen werden noch
solche von vier Berliner Landschaftern geboten, die, mit
einziger Ausnahme derjenigen von Eugen Bracht, den
Vergleich mit den erwähnten nicht aushalten können.
Der alte Eduard Pape erscheint ja zuweilen, wie in
»Oberhalb Wäggis« oder »Am Gardasee« noch leid-
lich geniessbar, weil eine gewisse Tüchtigkeit und
auch verhältnismässige Farbenfreude fesselt, aber im
allgemeinen sind diese Bildchen aus Gebirgsgegenden
doch für unseren Geschmack allzu veraltet und ver-
trocknet, als dass wir Freude daran empfinden oder
sie gar als bedeutende Kunstleistungen gemessen
könnten. Immerhin verdienen sie noch den Vorzug
vor den Schöpfungen des charakteristischer Weise
durch sein »Alpenpanorama« auf der Berliner Ge-
werbeausstellung bekannt gewordenen Joseph Rum-
melspacher, der mit ganz wenigen Ausnahmen, wie
»Schwarzpappeln« und »Herbstbuchen in der Mark«
recht trübsinnige Öldruckbilder zu einer Sämmel-
ausstellung vereint hat.

Da gewähren die im Nebenraum untergebrach-
ten Schöpfungen Paul Vorgangs geradezu eine Er-
quickung, wenn auch sehr vieles nichts weniger als
eine Erfüllung dessen bedeutet, was dieser Künstler
einst zu versprechen schien. Er steht nicht mehr auf
der gleichen Höhe, die er vor einigen Jahren ein-
nahm, er ist etwas sehr flach und kühl geworden.
Er zeigt uns eine Menge Naturstudien, die ja recht
gut gemalt sind, die aber manch einer ebenso gut
macht, und die eben für den Namen Vorgang zu
wenig sagen. Immerhin sollen einzelne seiner Bilder,
wie Am Wasser« und besonders »Abendfrieden«
hervorgehoben werden. Sie sind durch Tiefe der

Stimmung ausgezeichnet. Noch besser ist das Bild
»Nach dem Gewitter«, und das beste seiner hier aus-
gestellten Arbeiten ist wohl »Eichen am Wege«.

Als ein Riese gegen ihn tritt unser Eugen Bracht
vor uns hin, der eine grosse Zahl von fast durch-
weg vollendeten Meisterwerken zu einer Ausstellung
vereinigt hat. Die meisten dieser Arbeiten waren aber
schon während des Winters bei Schulte zu sehen und
sind damals eingehend in der »Kunstchronik« (Nr. 14)
besprochen worden. So wird es heute genügen, noch-
mals auf den monumentalen Charakter der Natur-
auffassung dieses bedeutenden Künstlers aufmerksam
zu machen, der selbst den einfachsten Motiven, die
oft eigentlich nur Naturstudien sind, heroische Grösse
einzuhauchen und den Beschauer dadurch zur Be-
wunderung und Andacht fortzureissen weiss. Ein-
zelne hervorzuheben und besonders zu loben, ist bei
solcher Fülle des Guten, unter der vereinzeltes Minder-
| wertiges, wie die »Schlossruine« und dies und jenes
I allzu Dekorative, fast ganz verschwindet, eigentlich
I überflüssig, aber ich kann es mir nicht versagen, auf
j »Spreelauf«, »Märkische Windmühle<: und »Pappeln
im Wind«, sowie vor allem auf das herrliche »Morgen-
stern und Spree« nochmals nachdrücklichst hinzuweisen.

Als Sonderausstellung wird in dem Katalog end-
lich auch eine Sammlung von »Gemälden, Skizzen
und Zeichnungen von der Palästina-Reise Sr. Majestät
! des Kaisers und Ihrer Majestät der Kaiserin« von Is-
mael Qentz bezeichnet. »Sonderbare Ausstellung«
wäre besser! Denn sonderbar ist es, dass Arbeiten
j von so geringen künstlerischen Qualitäten öffentlich
ausgestellt werden. Ich würde gerne von ihnen
schweigen, wenn sie nicht durch ihre Zahl sich auf-
drängten. — Eine Kritik vom künstlerischen Stand-
punkt scheint mir nicht möglich. Ich kann nichts
: entdecken, was die Anwesenheit dieser Malereien hier
künstlerisch rechtfertigen könnte; denn die Thatsache,
dass Ismael Gentz der Sohn von Wilhelm Gentz ist,
genügt doch nicht. Im Gegenteil: die Erinnerung
: an den Orientmaler Wilhelm Gentz lässt es um so we-
niger begreiflich erscheinen, dass der Sohn gerade in
dieser Hinsicht nicht mehr Selbstkritik beweist. Er
hat früher als Porträtzeichner manches recht Gute ge-
schaffen, warum hat er dies Feld verlassen? Jedenfalls
ist es Pflicht, auszusprechen, dass vor einer ernsthaften
Kritik diese Versuche in keiner Weise bestehen können,
Versuche, die kaum noch Spuren von Talent auf-
weisen.

EINE ANMERKUNG ZU HERMANN LÜER'S
AUFSATZ: »FÄLSCHUNGEN MITTELALTER-
LICHER KUNSTARBEITEN« (No. 24, 3. Mai).

Hermann Lüer's Aufsatz, der allgemein gefasste Erfahrun-
gen und Beobachtungen ausschliesslich anwendet, um das
Urteil über Stücke des Kestner-Museums richtig zu stellen
könnte den Eindruck erwecken, als ob der Einsicht und
dem Willen der Direktion dieses Museums auf dem in
Betracht gezogenen Gebiete aufgeholfen werden müsste.

Demgegenüber stelle ich fest, dass das von Herrn
Lüer Veröffentlichte der Teil einer Arbeit ist, welche er
im Auftrage grade jener Museumsdirektion ausgeführt hat.
 
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