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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 11.1900

DOI Artikel:
Schmarsow, August: Über die Grenze der Renaissance gegen die Gotik
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https://doi.org/10.11588/diglit.5771#0217

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

herausgeber:
Dr. Max Gg. Zimmermann

UNIVERSITÄTSPROFESSOR

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Oartenstrasse 15

Neue Folge. xi. Jahrgang.

1899/1900.

Nr. 27. 1. Juni.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer,
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik gratis. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlags-
handlung keine Gewähr. Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von H aasen -
stein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

ÜBER DIE GRENZE DER RENAISSANCE
GEGEN DIE GOTIK

VON a. SCHMARSOW

Unter obigem Titel hat G. Dehio (No. 18 u. 20)
die »Ablehnung« einer neuen Lehre versucht, die er
als »Schmarsow'sche Renaissancetheorie« bezeichnet.
Wer immer meine wiederholt ausgesprochenen An-
sichten erwogen hat, wird sofort erkennen, dass es
sich bei Dehio nur um einen erstaunlichen Irrtum
handeln kann. Unentbehrliche Glieder des Ganzen,
das ich angeboten habe, sind weggelassen; fremde
Zuthaten, mit denen ich gar nichts zu schaffen habe,
eingemischt. Ein derartig verzogenes Bild darf nicht
unter meinem Namen vorgeführt werden.

Wenn der Strassburger Kollege meinen Vortrag
in der K. Sächs. Gesellschaft der Wissenschaften (23.
April 1899) mit zwei Doktordissertationen, einer Leip-
ziger und einer Heidelberger, zusammen behandelt,
so kann dies Verfahren sicher nicht zum Vorteil sach-
licher Klärung gedeihen. Die Zusammenwürfelung
mit der Heidelberger Erstlingsarbeit, die mir fremd
ist, hat gradezu die stärksten Fehlgriffe Dehio's ver-
schuldet. Der Gegensatz schon gegen die »prinzipiell
andre Geschichtsauffassung M. G. Zimmermann^ (in
der Citatnote) kann sich nur auf Heidelberger An-
sichten beziehen. Falsch ist also sogleich der erste
Vorwurf, dass ich eine Erweiterung der Renaissance-
periode nach rückwärts ins Mittelalter vorgeschlagen
habe. In zahlreichen, auf die mittelalterliche Kunst
Italiens bezüglichen Arbeiten habe ich Giotto, Giovanni
und Andrea Pisano bereits als Gotiker angesprochen,
entschiedener als meine Fachgenossen sonst (Vergl.
S. Martin v. Lucca und die Anfänge der toskanischen
Skulptur im Mittelalter, 1890; die Aufsätze, die als I,
II und III in der Festschrift für das Florentiner Institut
1897 wieder abgedruckt worden, und die Skizze der
gleichzeitigen Malerei, daselbst IX; neuerdings Ghi-
berti's Kompositionsgesetze an der ersten Thür (4. Fe-
bruar 1899) und Masaccio V, S. 91 ff.). Das sind
öffentliche Zeugnisse genug.

Widersetze ich mich aber für Italien einer Ver-
schiebung der Grenze zwischen Renaissance und Go-
tik, die uns zur Verkennung des mittelalterlichen
Geistes im Trecento führen würde, so kann ich sie
selbstverständlich auch diesseits der Alpen nicht be-
fürworten, zumal da es mir grade auf einheitliche
Periodisierung ankommt. Es ist weder mir einge-
fallen, den Eintritt meiner nordischen Renaissance bis
auf die Mitte des 14. Jahrhunderts zurückzuschieben,
etwa wegen der Grundsteinlegung der Kirche von
Gmünd 1351, noch kann Haenel, trotz seines von
Dehio getadelten Ausdrucks, dieser Versuch unterstellt
werden, da stets von dem fertigen Raum als solchem,
d. h. von dem 1410 frühestens dastehenden Ganzen,
dessen Wölbung noch später entstand, die Rede war.
Zurückverfolgen der ersten Regungen des Neuen be-
hufs genetischer Erklärung ist selbstverständlich, auch
über die Grenze hinaus, wo das Neue entscheidendes
Ubergewicht gewinnt. Nur die Nachbarschaft der
Heidelberger Auffassung erklärt dies Missverständnis
bei Dehio.

Falsch ist ebenso der zweite Vorwurf, der sich
auf den Begriff der italienischen Renaissance selber
bezieht und zu den »materiellen Irrtümern der neuen
Lehre« gerechnet wird. Wer von uns vertritt »die
heute beliebte Meinung von der Unerheblichkeit der
Antike für die genetische Erklärung der Renaissance?«
Ich und Haenel? — nirgends! — Dehio citiert nur
»noch schärfer Moriz-Eichborn a. a. O. S. 337.« Die
Ergänzung zu diesem Komparativ beim Heidelberger
fehlt. Wo ist das Zeugnis für die Anklage, derent-
wegen Dehio gegen mich zu Felde zieht?

Dieser Punkt ist zu wichtig und für die gesamte
Geschichtsauffassung zu entscheidend, um eine falsche
Aussage hingehen zu lassen. Er berührt ausserdem
meine früheren Bedenken, die direkt an Dehio's
Adresse gerichtet waren (vgl. m. Beitr. z. Ästh. d.
bild. Künste I, 23), so nah, dass Genauigkeit wohl
am Platze gewesen wäre.

Die Kürze verbietet mir an dieser Stelle, von dem
Recht voller Aufklärung über meinen Standpunkt den
I Gebrauch zu machen, den ich wünschte. Ich sollte
 
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