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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — 4.1888

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Schneider, Friedrich: Altdeutsche Goldschmiedekunst auf dem Wege nach Rom
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https://doi.org/10.11588/diglit.4161#0085

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Altdeutsche Goldschmiedekunst auf dein Mege nach Aoin.

Mit Abbildmig.

Das Geschenk, wekches die österreichischen
Erzherzoge dem Papste Leo XIII. zu dessen
Jubiläum gewidmet habeu, verdieut besondere
Beachtung, weil es ein altes deutsches
Kunstwerk ist, dem eine kurze Erinnerung
an dieser Stelle zu widmen durchaus ange-
messen erscheint. Jch thue es um so mehr, als
dasselbe dem sränkisch-rheinischen Gebiet ent-
stammt und nach Aussage des Vorbesitzers
Eigeutum eines Mainzer Erzbischofs und viel-
leicht gar des Kardinals Albrecht von Branden-
burg soll gewesen sein. Ebeu wegen seiner
vorgeblichen oder wirklicheu Beziehungen zu
Mainz war es mir vor nicht langer Zeit von
München aus zum Kauf angeboten worden.
Es war dort aus Privatbesitz aufgetaucht,
ohne daß es mir gelingen wollte, die Spuren
zu verfolgen, welche etwa über den Zusammen-
hang mit Mainz näheren Aufschluß gewähren
konnten. Eigentümlich blieb immerhin, daß
ohne sichere äußere Merkmale dennoch Mainz
als der Ursprung genannt wurde, während
ebensowohl jeder andere Ort zwischen Main
und Rhein dafür sich anführen ließ. Das Stück
bildet ein Reliquiar in Buchform vou unge-
wöhnlicher Größe. Den flachen Holzkasten
füllen sorgfältig ausgestattete Holztafeln, die
gleich Blättern befestigt zum Umwenden einge-
richtet sind und in goldbenähten Seidenkißchen
Reliquien auf die Monatstage verteilt enthalten.
Die Vorderseite ist mit einem figurenreichen
Metalldeckel von teilweise vergoldetem Silber
geschmückt, wie ihn das Mittelalter, und teil-
weise die spätere Zeit noch, zur Ausstattuug
von gottesdienstlichen Formularien mit Vorliebe
verwendete. (S. die Abb. S. 75.)

Der Deckel ist als Rahmen mit vertieftem
Mittelfeld behandelt. Letzteres enthält eine
Kreuzigungsgruppe mit Rundfiguren von an-
sehnlicher Größc Das Kreuz setzt über eiuer

Flachnische mit gebrochenem Spitzbogeu auf,
dariu Veronika mit dem Schwcißtuch aus der
Fläche getriebeu dargestellt ist. Frei sich ab-
hebendes Laubwerk rankt von dem Fuß
des Kreuzes nach beiden Seiten und bildct
prächtige Konsolen, worauf Maria und Jo-
hannes stehen. Das Kreuz selbst wird von
ähnlich gebildetem Ranken- uud Laubwerk bal-
dachinartig überdacht. Der Grund ist durch
fein gezeichnete Blütenranken vou getriebener
Arbeit belebt. Unter den Kreuzarmen, wie an
dessen Fuß und zu Häupten sitzen große Edel-
steine in Blütenkelchen.

Den Rahmen umziehen geriefelte, flache
Rundstäbe. Jn den Ecken sind die Zeichen
der Evangelisten angebracht und auf den Längs-
seiteu, gleichfalls in stark gerundeter Arbeit,
auf architektonischen Konsolen die Bilder von
Petrus und Panlus uud zwei heiligen Bischöfen;
der eine führt als Beizeichen ein Schwcrt, dcr
andere ein Buch. Reizend sich verknüpfende
Nanken mit Edelsteinen in der Mitte bauen
sich als Baldachine nnd als füllende Zier
zwischen den figürlichen Schmuck des Rahmens
hinein.

Die ursprüngliche Anlage dieses Pracht-
deckels weist auf die Spätzeit des Mittelalters
hin, und füglich darf man den Anfang des
16. Jahrhunderts als Entstehungszeit desselbcn
annehmen. Das Stück hat indessen mannig-
fache Veränderungen erfahren, mehr sogar als
u. a. vr. A. Jlg in einer kurzen Besprechung
in der Wiener „Presse" unlängst glaubte an-
nehmen zu sollen. Gotische Behandlung zeigt
nur mehr der äußere Rahmen mit den Evan-
gelisten, dem Veronikabilde, den Figuren vou
Peter und Paul, sowie das Ranken- nnd Blätter-
werk. Die Figuren der Kreuzigungsgruppe
uud die beiden Bischöfe entstammen vicl spä-
terer Zeit und zudem folgen sie ganz verschie-
 
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