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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — 4.1888

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Grosch, H.: Norwegische Kirchenstühle aus dem Mittelalter
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Pabst, Arthur: Neue Vorbilder für Stickerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.4161#0208

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Neue Borbilder sür Stickerei.

18i

Verwendung bringt, ohne die Grenzen einer
maßvollen und wohldurchdachten Ornamentirnng
zu überschreiten.

Von gotischem Einfluß ist keine Spur zu
entdeckc», es trägt alles noch ganz den romani-
schen Charakter, ja es kommt hier zu Lande ein
andercr Gegenstand kaum vor, der so vicle der
eigentümlichen Verzierungsmotive dieses Stils
in sich vereinigt. Man begegnet hier ebenso-
wohl Bandverschlingungen, Tauwindungen und
Flechtwerk wie vegetabilischen Ornamenten und
Tierdarstellungen. Ein erstaunlicher Phantasie-
reichtum tritt besonders in der Behandlung der
in unserer nationalen Ornamentik so häufig
vorkommenden Schlangen und Fabeltieren aller
Art hervor. Miteinander kämpfende, inein-
ander verschluugene, sich drehende und windende,
in wild phantastischer Weise umgebildete Löwen,
Drachen und Schlangen erblickt man überall.
Ein wahres Knäuel der verschiedeusten, mit un-
geheurer Wildheit sich beißenden und durch-
einander windenden Tiere, zeigt das obere
Rahmenstück der rechten Seite. Unter all den
Phantasiegebilden findet sich ein mit rundem
Schilde und kurzem Schwerte versehener, in
ein Fabeltier mit langen Klauen auslaufender
Kentaur sowie auch, merkwürdigerweise, ein
naturalistisch wiedergegebener Bär vor. Von
Menschenfiguren sindet sich nur eine auf der
inneren Seite der runden Platte des Rücken-
kreuzes. Es ist hier ein Mann im Kampfe

mit zwei Ungetümen dargestellt; die sonst so
feste und sichere Zeichnung hat sich aber hier
nicht zurecht zu finden gewußt und die ganze
Figur in kindlich naiver, halb phantastischer
Weise wiedergegeben. Die Formen der Tracht
und der Waffen sind nicht genau zu erkennen,
was um so mehr zu bedauern, als ein fester
Anhalt gerade in dieser Richtung hin von
besonderem Werte sein würde. Treten wir
nämlich an die Frage heran, aus welcher Zeit
dieser Stuhl wohl herstammen kann, begegnen
uns besondere Schwierigkeiten. Es scheint, als
stehen die mehr ausgebildeten, feineren und
leichtercn Formen im Widerspruch mit der noch
ganz rein erhaltenen romanischen Ornamentik.
Der Verfasser sieht sich zur Zeit nicht im stande,
diesen Widerspruch zu lösen oder eine haltbare
Erklärung vorzuschlagen, doch hält er es kaum
sür möglich, daß Oruamente dieser Art, von
solchem Reichtum und festem Stil, nach 1250
ausgeführt sein können.

Außer den bis jetzt besprochenen Stiihlen
existiren noch zwei solche von wesentlich dem-
selben Charakter, die deshalb hier übergangcn
werden können.

Daß diese Arbeiten aus der nordischen
Vorzeit in mehrfacher Beziehung eiu bedeutcn-
des Jnteresse besitzen und der allgemeinen Auf-
merksamkeit auch außerhalb des Landes wert
sind, hofft der Verfasser durch obige Schilderung
dargelegt zu haben.

^eue Dorbilder für j^tiekerei.

von A. pabst.
ksierzu eine Tafel.

Die Erkenntnis, daß die weibliche Hand-
arbeit iu erster Linie berufen sei, dcn Sinn
für das Schöne zu weckeu, die Kunst im Hause
zu Pstegen und immer weitere Gebiete der-
selben an sich zu ziehen, hat ihre Förderung
in eigenen Schulen, Vereinen, besondcren Werk-
stätten, vor allem durch gute Vorlagenwerke zur
Folge gehabt. Es ist ein unbestreitbares Ver-
dieust des österreichischen Museums, zuerst auf
diesem Gebiete anregend gewirkt zu haben. Eben-
bürtig stehen ihnen zur Seite, aber unübertroff'en
an Ersolg, die zuerst im Verein mit Julius
"essing, dann allein unternommenen Publika-

tionen der Verlagsbuchhandlung von Franz
Lipperheide in Berlin, Publikationen, welche
durch Vorzüglichkeit des Jnhalts, Zweckmäßig-
keit der Ausstattung und außerordentliche Billig-
keit einen sast beispiellosen Erfolg erzielt habeu.
Die „Muster altdentscher resp. altitalienischer
Leinenstickerei" haben eine Verbreitung gefunden
wie vielleicht kein zweites Musterbuch der Welt,
und ihr Einfluß erstreckt sich nicht bloß bis in die
kleinsten Nester unseres Vaterlandes, sondern
weit über dessen Grenzen hinaus. Diese Muster-
bücher enthalten nur Vorlagen für Kreuzstich;
sie bringen im wesentlichen alte Muster, teils
 
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