Knnstgewerbcblatt. q. Iahrgang. ^2.
Aig. 18. Gekisppelte Leinenspitze (l/2 natiirl. Größe). Jtalien 17. Jahrhundert.
Aus der ^pitzonsammlung des Kunstgewerbemusemns zu Berlin.
Von Max lseiden.
Mit Jllustrationen.
III.
Die geklöppelten Spitzen der Berliner
Sammlung bilden eine nicht minder interessante
und reichhaltige Gruppe wie diejenigen der ge-
nähten Spitzen. Sind auch an größeren Ar-
beiten keine so hervorragenden Stücke, wie in
jener, so sind doch nahe an 1000 kleinere Proben
vorhanden, welche von der Mannigfaltigkeit der
Arten und Muster ein ziemlich umfassendes
Bild zu geben im stande sind. Dieser Bestand
ist zumeist am Ende der sechziger und Anfang
der siebziger Jahre durch Ankäufe größerer
Posten in Jtalien und Süddeutschland zusam-
mengebracht; das Museum kam dadurch, mit
geringem Aufwand von Kosten, zu einem wert-
vollen Stamme, dessen Lücken nach und nach
durch Einzelankäuse vorteilhaft ausgefüllt wor-
den sind: eine Arbeit, welche heut noch nicht
als abgeschlossen betrachtet werden kann.
Die Bestimmung der Klöppelspitze, bezüg-
lich des Alters und ihrer Herkunft, ist nicht
minder schwer, wie bei der Nadelspitze. Ja, es
steht hier fast noch schlimmer, da die einfachere
Technik der Klöppelspitze eine weitaus größere
Verbreitung zur Folge haben mußte: neben den
stetig wachsenden Staats- und Privatfabriken
hat sie namentlich als Hausindustrie der Land-
bewohner viel mehr Anfnahme gefunden, als
die genähte Spitze: wann und wie, das läßt
sich allerdings von keinem Lande mit vollstän-
diger Sicherheit nachweisen, am allerwenigsten
durch die Erzeugnisse selbst. Denn die ersten
Versuche in dieser Technik kamen gewiß überall
mehr oder weniger auf dasselbe hinaus uud
lassen sich daher auf ihre Provenienz hin nicht
KunstgcwerbeblaU. IV.
bestimmen. Andererseits kann aber aus dem
Grunde in den seltensten Fällen von der Ent-
stehung und weiteren Entwickelung der Technik
aus sich heraus die Rede sein, weil gewöhnlich
mit der schon ausgebildeten Technik die fertigen
Muster aus anderen Orten eingeführt worden
sind. Hiernach ist es natürlich, wenn im Be-
reich gewisser Gattungen von geklöppelten Spitzen
die Angabe des Fabrikationsortes nie zu be-
stimmen sein wird; selbst wenn mit der Zeit
sich in dieser oder jener Fabrik eine Eigen-
tümlichkeit für das eine oder andere Genre
herausbildet, so ist der Unterschied nicht immer
so auffällig, daß das geübteste Auge nicht irre
geführt werden könnte.
Schon bei den genähten Spitzen wiesen
wir auf die Übertragung nnd Nachahmung als
Schwierigkeit für die Bestimmung hin; aber
dort, wo die Ausführung der Arbeit unmittel-
bar von der Geschicklichkeit der Hand abhängig
ist, sind sichtbare Unregelmäßigkeiten beim Ko-
piren unvermeidlich: wir sahen ja, wie dadurch
unwillkürlich neue Arten von Nadelspitzen entstan-
den. Von solchen bestimmenden Verschiedenheiten
durch die Technik des Klöppelns kann wenig
oder gar nicht die Rede sein, weil sie auf einer
Art mechanischer Verrichtung beruht, welche
eine verschiedene Wiedergabe ein und derselben
Figur ausschließt.
Zu der Einförmigkeit der Technik und
Verwandtschaft der Muster kommt die Gleich-
heit des Materials.
Wie znr genähten Spitze findet auch zu
deu Klöppelarbeiten der aus der Flachsfaser
30
Aig. 18. Gekisppelte Leinenspitze (l/2 natiirl. Größe). Jtalien 17. Jahrhundert.
Aus der ^pitzonsammlung des Kunstgewerbemusemns zu Berlin.
Von Max lseiden.
Mit Jllustrationen.
III.
Die geklöppelten Spitzen der Berliner
Sammlung bilden eine nicht minder interessante
und reichhaltige Gruppe wie diejenigen der ge-
nähten Spitzen. Sind auch an größeren Ar-
beiten keine so hervorragenden Stücke, wie in
jener, so sind doch nahe an 1000 kleinere Proben
vorhanden, welche von der Mannigfaltigkeit der
Arten und Muster ein ziemlich umfassendes
Bild zu geben im stande sind. Dieser Bestand
ist zumeist am Ende der sechziger und Anfang
der siebziger Jahre durch Ankäufe größerer
Posten in Jtalien und Süddeutschland zusam-
mengebracht; das Museum kam dadurch, mit
geringem Aufwand von Kosten, zu einem wert-
vollen Stamme, dessen Lücken nach und nach
durch Einzelankäuse vorteilhaft ausgefüllt wor-
den sind: eine Arbeit, welche heut noch nicht
als abgeschlossen betrachtet werden kann.
Die Bestimmung der Klöppelspitze, bezüg-
lich des Alters und ihrer Herkunft, ist nicht
minder schwer, wie bei der Nadelspitze. Ja, es
steht hier fast noch schlimmer, da die einfachere
Technik der Klöppelspitze eine weitaus größere
Verbreitung zur Folge haben mußte: neben den
stetig wachsenden Staats- und Privatfabriken
hat sie namentlich als Hausindustrie der Land-
bewohner viel mehr Anfnahme gefunden, als
die genähte Spitze: wann und wie, das läßt
sich allerdings von keinem Lande mit vollstän-
diger Sicherheit nachweisen, am allerwenigsten
durch die Erzeugnisse selbst. Denn die ersten
Versuche in dieser Technik kamen gewiß überall
mehr oder weniger auf dasselbe hinaus uud
lassen sich daher auf ihre Provenienz hin nicht
KunstgcwerbeblaU. IV.
bestimmen. Andererseits kann aber aus dem
Grunde in den seltensten Fällen von der Ent-
stehung und weiteren Entwickelung der Technik
aus sich heraus die Rede sein, weil gewöhnlich
mit der schon ausgebildeten Technik die fertigen
Muster aus anderen Orten eingeführt worden
sind. Hiernach ist es natürlich, wenn im Be-
reich gewisser Gattungen von geklöppelten Spitzen
die Angabe des Fabrikationsortes nie zu be-
stimmen sein wird; selbst wenn mit der Zeit
sich in dieser oder jener Fabrik eine Eigen-
tümlichkeit für das eine oder andere Genre
herausbildet, so ist der Unterschied nicht immer
so auffällig, daß das geübteste Auge nicht irre
geführt werden könnte.
Schon bei den genähten Spitzen wiesen
wir auf die Übertragung nnd Nachahmung als
Schwierigkeit für die Bestimmung hin; aber
dort, wo die Ausführung der Arbeit unmittel-
bar von der Geschicklichkeit der Hand abhängig
ist, sind sichtbare Unregelmäßigkeiten beim Ko-
piren unvermeidlich: wir sahen ja, wie dadurch
unwillkürlich neue Arten von Nadelspitzen entstan-
den. Von solchen bestimmenden Verschiedenheiten
durch die Technik des Klöppelns kann wenig
oder gar nicht die Rede sein, weil sie auf einer
Art mechanischer Verrichtung beruht, welche
eine verschiedene Wiedergabe ein und derselben
Figur ausschließt.
Zu der Einförmigkeit der Technik und
Verwandtschaft der Muster kommt die Gleich-
heit des Materials.
Wie znr genähten Spitze findet auch zu
deu Klöppelarbeiten der aus der Flachsfaser
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