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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — 4.1888

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Falke, Otto von: Moderne persischen Faiencen
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Hessische Bauernstühle
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https://doi.org/10.11588/diglit.4161#0132

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Hessische Bauernstühle.

leicht begünstigt durch die Einführung und
Nachahmung der Kaschmirshawls, großer Ein-
fluß eingeräumt wurde; es ist daher nicht er-
staunlich, daß trotz der herrlichen Vorbilder, die die
persische Kunst selbst gerade der Fliesenindustrie
bieten kann, auch in der Keramik diese Vor-
liebe für indisches Ornament zum Ausdruck
kommt. Rochechouard erklärt diese Erscheinung
dadurch, daß die heute fabrizirten Fliesen uicht
mehr so wie früher, wo sie zur Bekleidung vou
Moscheekuppeln und großer Räume dienteu, auf
eine Wirkung auf große Distanzen berechnet
seien, da sie zur Verzieruug von Portalen an
Bädern und Privatgebäuden angebracht würden,
wobei auch der mehr ins Detail gehende in-
dische Dekor zur Geltung kommen könne.

Heute werdeu Fliesen zur Wandbeklciduug
in fast allen größeren Städten Persiens gefer-
tigt; obenan steht die Jndustrie der Hauptstadt
Teheran, da diese, als Sitz des Hofes und der
Würdenträger, auch den größten Bedarf an
dieser Verzierung architektonischer Schöpfungen
hat. Jspahan, wohlbeeinflußt durchdiegroßen
Denkmale aus Schah Abbas' Zeit, fabrizirt iu
großen Massen noch Fliesen im Stile des
16. Jahrhunderts; besonders bevorzugt werden
die Platten mit figürlichen Darstellungen,
Jagdbilder nnd Liebesszenen, wcniger dagegcn

die Pflanzenmuster in dem großen Stile der
Blütezeit. Es mag hier erwähnt werden, daß
in Jspahan auch die Töpferei in jüngster Zeit
wieder einen Ausschwung genommen hat und
zur Verzierung ihrer Gefäße von figürlichem
Ornament reichen Gebrauch macht.

Zum Schlusse verdienen noch einige Arten
moderner persischer Keramik erwähnt zu werden,
die sich im Lande selbst großer Beliebtheit er-
freuen. Jn Kum hauptsächlich werdcn in großen
Mengen Trinkgefäße vou höchst geschniackvollen
Formen aus ganz porösem Thone erzeugt, dic
wie die spanischen Alkarazzas durch die Ver-
duustung das Wasser kühl und frisch erhalten.
Arabesken und figürliche Darstellungen dienen
zuni Schmuck. Beim Brande werden sie nicht
direkt dem Feuer ausgesetzt, sondern mit einer
thönernen Hülle umgeben, so daß die Hitze lang-
sam und gemäßigt einwirkt.

Die Stadt Tebris beteiligt sich an der
keramischen Jndustrie des Landes durch Er-
zeugung von Gefäßen aus dunkelrotem Thon,
die mit Arabeskeu in Vergoldung ornamentirt
sind. Die äußerst feine Masse wird mit keiner
Glasur überzogen,sondern nur polirt; sie gleichen
also in ihrer Herstellnng den bekannten roten
Gefäßen aus Siut in Ägypten.

L)essische Bauernstiihle.

Zu der Farbcndrucktafel.

r. ll. Jm siebenten Hefte des 3. Jahr-
ganges d. Z. verösfcntlichten wir nach den Mit-
teilungen des Herrn F. Jwan zwei Bauern-
stühle aus einem Dorfe bei Köslin, dereu ori-
ginelle Bemalung augenscheinlich auf alter
Tradition beruhte. Ilnsere farbige Tafel stellt
zum Vergleich mit diesen zwei Stühle aus der
Gegend von Ziegenhain, an der Grenze von
Ober- und Niederhessen, dar, die, obgleich dem
ersten Jahrzehnt dieser Jahrhunderts ent-
stammeud, vielleicht in noch höherem Maße als
jene pommerschen Beispicle in ihrer Form die
Überlieferung mittelalterlicher Geräte sestge-
halten habcn. Diese durchaus polychrvm bc-
handelten Stühle, die noch heute in verschiedenen
Dörfern im südlichen Teil des altcn Kurhessens
in ähnlichen Formen angefertigt werden, sind
nicht Arbciten des Tischlcrs, sondcru deS Wag-

ners vder „Nademachers", der das Holz aus
der Schnitzbank bearbeitet. Übrigens wurdcn
diese Stühle nicht dutzendweise, sondern imnier
sür bestimmte Personen als Ehrensitze ange-
sertigt, nieist wvhl als Ansstattungsstücke für
die junge Ehefrau, die in ein eigenes Hauö
einzieht, svdaß sich fast jeder Stuhl mit dcm
Namen der Besitzerin und der Jahreszahl be-
zeichnct findct.

Jn welcher Zeit die Vvrbilder dieser Stühlc
zu snchen sind, ist bci der Spärlichkeit und Ür-
sprünglichkeit des angewandten Ornamentcs
nicht leicht zu entscheiden. Bci dem links dar-
gcstellten Stnhl dürfte es statthaft crschcineU/
an das frühe Mittelaltcr zu denkcn: die schrä-
gcn Stollen der Rückenlehnc mit ihren schräg
aufsteigenden, wulstartigcn Bändern, das au-'
Kreisschlägen bebildete, dem Kcrbschnitt aulfl'
 
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