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Kunstwart und Kulturwart — 26,1.1912

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Heft 4 (2. Novemberheft)
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Nidden, Ezard: Neuere schwedische Dichtungen
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.9024#0319

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man an des Lappen Turi ethnologisch, zoologisch, heilkundlich, geogra-
phisch, folkloristisch und schließlich auch menschlich wertvolle Schilderungen
des wirklichen Lappenlebens! An ihnen orientieren wir uns über
das seltsame, gequälte und lichtlose Leben des nordischen Wandervolkes —
seine literarische Phantasmagorienspiegelung brauchen wir nicht.

Ist es „das Schwedische", das in Berg, dem vorher so klaren For-
scher, hier durchbricht? Wir wissen es nicht. Wir können das Schoß-
kind Phantasie nicht durchschauen, nur ehren, auch wenn wir es irren
sehen. Es kann völkischer, kann individueller Besitz sein. Persönlich-
keitbesitz ist es in Selma Lagerlöf. Eine Frau, die gewiß zu
dem überwiegenden Teil ihres Wesens Phantasienatur ist und gegen
einen Mann wie Nilsson oder Siwertz den Eegenpol innerhalb des
Schwedischen bezeichnet. Rnd welche Zauberstärke liegt doch auch in
ihr! Neuestens gab sie mit „Liljecronas Heimat" eine Geschichte, deren
Fabel von märchenartiger Schlichtheit ist: eine Pfarrerstochter bekommt
spät eine Stiefmutter, von der sie etwas gepeinigt wird mit Unfreund-
lichkeit, Arbeit und Einschränkung; sie gewinnt einen Mann lieb, ihr
Vater stirbt, und der Geliebte holt sie heim. Ein Märchen, wie Schnee-
wittchen. Aber hineingesetzt in das lachend frohe und bunte Pfarrhof-
leben, reflektiert in zehn, zwölf nachdenklichen, naiven, frischen und
düsteren Naturen, gebannt in wundersam klare Anschaulichkeit und mit
einer Fülle der Erfindungen, einer Ruhe des Stils erzählt, daß man
die Meisterin alsbald mit Ehrfurcht erkennt. Iedes Gefühl, jeder Auf-
tritt ist hier an seinem Platz, gewoben ins Ganze eines reichen, vollen
Lebensstromes.

Wir geben von diesem Werk in den Losen Blättern dieses Heftes
eine Probe. Möge sie nicht nur erfrischen und erfreuen — sie ist ein
Teil der großen Lebenskräfte, welche die Heimat ihrer Dichterin uns
zu geben hat, von denen wir wiederum einen Teil hier mit aufrichtiger
Bewunderung kennzeichnen durften. Möge sie Freunde dafür werben.

Ezard Nidden

Lose BlätLer

Aus SeLma Lagerlöfs Noman „LiLjeeronas HeimaL"

fDer Roman, dem die folgende Erzählung entnommen ist, findet sich
in dem Aufsatz „Neuere schwedische Dichtungen" besprochsn. — Zur
Erleichterung des Verständnisses sei hier das Nötige mitgeteilt: die
Tochter des zum zweiten Male verheirateten Pfarrers leidet unter der
bösen, schikanierenden Art ihrer Stiefmutter; diese Stiefmutter war früher
bei der „Gräfin" bedienstet gewesen; eines Tages aber — gerade als Vater
und Tochter „zum südlichen Anger gingen, um nach den Mähern zu
sehen" — war sie der Gräfin entlaufen und hatte sich zum Pfarrer ge-
flüchtet. Während dessen Tochter verreist war, hatte sie den Pfarrer für
sich gewonnen, aber in der kurzen Zeit seiner zweiten Ehe hatte sie den
fröhlichen und schwachen Mann schon tief verwirrt und unter sich ge-
bracht. Ihrer Herrschaft mußte sich nun auch die heimgekehrte Pfarrers-
tochter beugen. In einem „Märchen" von Schneewittchen, worin fie

2. Novemberheft M2 259
 
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