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Winghart, Stefan [Editor]; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]; Kaspar, Fred [Oth.]; Gläntzer, Volker [Oth.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Güter, Pachthöfe und Sommersitze: Wohnen, Produktion und Freizeit zwischen Stadt und Land ; [... 23. Jahrestagung der nordwestdeutschen Hausforscher im März 2011 ...] — Hameln: Niemeyer, Heft 43.2014

DOI issue:
Güter Adeliger, Lebens- und Wirtschaftsformen
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Spohn, Thomas: Die Bauten westfälischer Damenstifte des 17. und 18. Jahrhunderts: Vorbilder ländlichen und kleinstädtischen Bauens?
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51273#0087
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Die Bauten westfälischer Damenstifte des 17. und 18. Jahrhunderts

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sozialen Diffusion, d. h. hinsichtlich der Übernahme
der Bauform durch andere Bevölkerungsschichten der
jeweiligen Region. Einer solchen Übernahme konnten
prinzipiell neben der bereits vermerkten besitzrechtli-
chen Abgeschlossenheit der Stiftsbezirke die unter-
schiedlichen Lebensbedingungen der Stiftsdamen und
der örtlichen Bevölkerung mit den entsprechend
unterschiedlichen Anforderungen an die Raumstruk-
tur der Häuser entgegenstehen. Während vielerorts
einschlägige Untersuchungen noch fehlen, ist für den
nördlichen Teil der ehemaligen Grafschaft Mark die
Befundlage klarer. Hier liegen mit Clarenberg, Elsey,
Fröndenberg, Gevelsberg und Herdecke fünf Stifte, in
denen einige bemerkenswerte Kurien bis heute erhal-
ten sind (vergl. Abb. 8). Ganz ähnliche, palaisartige
Häuser wurden jedoch zeitgleich oder schon früher
auch außerhalb der Stifte errichtet (Abb. 22). Bau-
herren waren hier die Familien der bürgerlich-gewerb-
lichen Oberschicht, die in keinen engeren Beziehun-
gen zu den Damenstiften standen,53 sodass man eine
unmittelbare Beeinflussung dieser Bauten durch die
Stifte wohl ausschließen kann.
Fundamental ändert sich das Bild mit der Säkulari-
sation, d. h. mit der Aufhebung der Stifte und der
Veräußerung aller Liegenschaften und Bauten, die
noch im Besitz des Stiftsfonds standen. Auch für den
Privatbesitz der Damen bedeutete die Säkularisation
eine entscheidende Lockerung: War bislang eine
Veräußerung der Häuser zwar möglich, aber nur
innerhalb des Stiftes erlaubt, so fiel diese Schranke
ebenso wie das Bedürfnis der Damen und ihrer
Familien, im jeweiligen Ort eine Kurie vorzuhalten. So
wurden die meisten Kurien sofort nach der Säkulari-
sation oder spätestens mit dem Tod der letzten Besit-
zerin/Bewohnerin an Interessenten im Ort veräußert:
Sowohl die Bauform der Kurie als auch ganz materiell
die Gebäude gingen in bürgerlichen Besitz über. In
Herdecke54 etwa, wo die Stiftskirche als Pfarrkirche
und das Abteigebäude als evangelische Schule weiter
bestanden, setzten sich vor allem die örtlichen
Tuchfabrikanten in Besitz der übrigen Gebäude, die
sie teils zu gewerblichen Zwecken um- und teils zu
Wohnzwecken weiter nutzten. Eine der Kurien galt
ihrem Käufer, dem Farbenfabrikanten Heinrich Hueck,
als baufällig; der Neubau von 1820 entspricht -
wenngleich in den Details „modischer" - so weitge-
hend der daneben stehenden Stiftskurie von 1785
(Abb. 23), dass er kaum als bürgerliche Ergänzung
einer einst adeligen Lebenswelt erkennbar wird.


22 Hemer-Sundwig (Märkischer Kreis). Stephanopeler Straße
40. Reidemeisterhaus von der Becke von 1796(1), Ansicht
2008.

23 Herdecke (Kreis Ennepe-Ruhr). Stiftsplatz 3 und 4.
Stiftskurie von 1785 (rechts) und bürgerlicher Neubau von
1820, Ansicht 2011.
 
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